Rezension

Grausame Kindesmisshandlungen, beschrieben ohne Worte

Die unterirdische Sonne
von Friedrich Ani

Bewertet mit 4 Sternen

Fünf Kinder bzw. Jugendliche werden entführt und monatelang in einem Kellerverlies gefangen gehalten. In regelmäßigen Abständen wird einer, oder auch einmal mehrere, "nach oben" geholt und seelisch und körperlich misshandelt. Ohne sich gegenseitig von ihren Erfahrungen und Leider berichten zu dürfen, versuchen sie, einander Mut zu machen, sich abzulenken, einfach da zu sein und die Schrecken ihrer Gefangenschaft zu überleben. Werden sie jemals zu ihren Familien zurückkehren können?

Der Roman ist komplett aus der Perspektive der fünf Jugendlichen geschrieben. Wir erfahren von ihren Gedanken, Träumen und Ängsten, ohne dass wir jemals einen Blick in, ja noch nicht einmal wirklich auf die Erwachsenen werfen können. So grausam deren Taten sind, sind sie doch irgendwie Nebenfiguren, denn sie haben den Fünfen verboten, untereinander über ihre Erlebnisse "oben" zu sprechen. Durch ihre tief sitzende Angst versuchen sie diese Ereignisse auch aus ihren Gedanken auszublenden.

Faszinierend fand ich, dass dieses Buch komplett ohne morbide Detailschilderungen auskommt. Wir können uns denken, was den Jugendlichen zustößt, aber wie detailliert wir uns das vorstellen (wollen), bleibt uns und unserer Fantasie überlassen. Geschrieben in einem sehr eigenwilligen Stil ist der Roman sehr eindringlich, ohne jemals etwas beim Namen zu nennen.

Einige Teilaspekte hätten meiner Meinung nach weggelassen werden können, da sie mich in der Geschichte nicht wirklich weitergebracht haben. Ansonsten hat mir das Buch jedoch sehr gut gefallen, da es mal etwas ganz anderes ist. Jegliche Sensationsgeilheit wird durch die Perspektive und die Art der Schilderung sofort ausgeschlossen; irgendwie ist alles ganz ruhig und fast schon nüchtern dargelegt, obwohl es doch um vielschichtige Emotionen geht. Mit Sicherheit gefällt dieser Stil nicht jedem, auf manche kann er wahrscheinlich sogar langatmig wirken. Lässt man sich darauf ein, fesselt einen die Geschichte, ohne wirklich jemals einen klassischen Spannungsbogen zu entfalten.

Für mich also durchaus eine Leseempfehlung und 4 Sterne wert.