Rezension

Hier ist alles Gold, was glänzt!

Fräulein Gold. Schatten und Licht - Anne Stern

Fräulein Gold. Schatten und Licht
von Anne Stern

Bewertet mit 5 Sternen

„Berlin war ein einziger Reigen aus Vergnügungen, Champagner und Zügellosigkeit, aus irrlichterndem Glitzern, Drogen, körperlicher Liebe, so viel man wollte. Doch am Ende bezahlte immer jemand dafür.“

Besser könnte man dieses Buch nicht beschreiben als mit den Zeilen, die ich mir von Seite 317 entliehen habe. Es zeigt, wie Berlin in jenem Sommer 1922 war – laut, mondän, verrucht, berauschend – und kriminell. Diese Stimmung fängt Anne Stern in ihrem historischen Kriminalroman bestens ein, mit einer Heldin, die unerschrocken ist, aber auch zweifelt. Denn an niemandem sind die Schrecken der Kriegs- und Nachkriegsjahre spurlos vorbeigegangen, auch wenn man das noch so sehr mit glänzenden Kleiderstoffen und auffälligem Makeup zu übertünchen versucht.

Ich habe mich mit Hulda Gold ins Berliner Nachtleben gestürzt, bin ihr durch schmale Straßen gefolgt und habe mit ihr herumgeschnüffelt, als sie der Tod einer Frau in ihrem Kiez nicht losließ. Und was soll ich sagen? Es hat riesigen Spaß gemacht! Ich war völlig gefangen in ihrer Zeit und ihrer Umgebung.

Hulda ist eine Frau, der man Achtung entgegenbringt. Sie ist berufstätig und alleinstehend, hat sich bisher bewusst gegen eine Heirat entschieden, um nicht in eine Abhängigkeit zu geraten. Die Liebschaft ist auseinandergegangen, obwohl beide sich noch zueinander hingezogen fühlen. Hulda gießt immer wieder Öl ins Feuer, als sie an ihrer Gewohnheit festhält, im Café ihres ehemaligen Freundes einzukehren.

Doch dann ertrinkt eine Frau des Nachts im Landwehrkanal. Für die meisten ist klar, dass sie ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat. Doch Hulda, die ihre Ohren überall hat, kommen seltsame Gerüchte zu Ohren und sie glaubt nicht an einen Selbstmord. Sie beginnt herumzuschnüffeln und ist dem auf den Fall angesetzten Kommissar Karl North irgendwie immer eine Nasenspitze voraus…

Hulda „ermittelt“ mit Gespür für die Feinheiten menschlicher Konflikte und mit einem beachtlichen Tatendrang. Nicht immer konnte ich wirklich nachvollziehen, weshalb sie sich in die eine oder andere gefährliche Situation begibt – aber die Geschichte ist einfach so mitreißend erzählt, dass das zur Nebensache wird.

Auch Kommissar Zufall ermittelt fleißig mit, denn merkwürdigerweise scheinen all ihre Patientinnen zufällig eine Verbindung zum Mordopfer gehabt zu haben. Der Plot wäre hier noch ein wenig verbesserungswürdig gewesen aus meiner Sicht. Aber - und das wiegt für mich schwerer – diese kleinen Mankos haben mich beim Lesen nicht gestört. Ich habe sie zur Kenntnis genommen und war sofort wieder mittendrin in Huldas Leben. Deshalb möchte ich dafür auch die Bewertung nicht schmälern, denn insgesamt hat mich das Buch einfach bestens unterhalten und ich fiebere schon dem nächsten Band „Scheunenkinder“ (der für Oktober 2020 angekündigt ist), entgegen.

Ich hoffe, dass ich mit Hulda noch viele Abenteuer erleben kann!