Rezension

Huntington eine Stimme geben

Ein guter Tag zum Leben - Lisa Genova

Ein guter Tag zum Leben
von Lisa Genova

Bewertet mit 5 Sternen

Lisa Genova hat Psychologie studiert und in Neurowissenschaft promoviert und dies merkt man, denn ihre Bücher haben alle neurologische Themen zur Grundlage. Ihr Welterfolg " Still Alice - mein Leben ohne Gestern " befasste sich mit einer frühen Form von Alzheimer, Ihr zweites Buch " Mehr als nur ein halbes Leben " mit dem Neglect , ihr drittes mit Autismus und nun in ihrem neuen Buch, geht es um eine Familie , die von der Chorea Huntington Krankheit betroffen ist.

Joe O.`Brien ist 44 Jahre, lebt in Boston und ist mit Leib und Seele Polizist. Er ist zufrieden mit seinem Leben , hat eine Frau, die er liebt und vier gut geratene Kinder. Als er eines Tages erfährt, dass seine Kollegen hinter seinem Rücken reden, dass er ein Drogen, - oder Alkoholproblem hat, ist er mehr als betroffen. Ein Freund meldet sich bei seiner Frau und macht sie darauf aufmerksam. Auch seiner Frau Rosie sind Veränderungen im Verhalten von Joe aufgefallen und so überredet sie ihren Mann zu einem Arzt zu gehen. Der Besuch beim Neurologen lässt seine Welt von heut auf morgen zusammenbrechen. Diagnose " Chorea Huntington, eine Generkrankung, die tödlich endet und erblich ist. Wie kann man mit so einem Wissen leben ?

Es gibt in Amerika ca 40 000 Chorea Huntington Fälle, in Deutschland sind es ca. 10000. Was sind diese Zahlen im Vergleich zu über Millionen Alzheimer oder Krebserkrankungen weltweit.? Lisa Genova gibt dieser, in Relation zu den anderen Erkrankungen kleinen Zahl von Erkrankten eine Stimme. Sie beschreibt sehr anschaulich und nachvollziehbar, welche Symptome und Konsequenzen bei dieser Erkrankung auftreten und wie eine Familie damit umgeht.
Dass Joe seine Erkrankung zuerst nicht glauben will, sie negiert, anschließend wütend wird, bis er das Unabänderliche akzeptiert, wird sehr gut beschrieben. Was aber sein größtes Problem ist und ihn stark belastet, ist das Wissen, dass er diese Erkrankung womöglich an seine Kinder weitergegeben hat. Sein schlechtes Gewissen kennt keine Grenzen, als er erfahrt, dass 2 seiner Kinder, die sich haben untersuchen lassen, die Diagnose gestellt bekommen haben. Sein Sohn wird sogar Vater und hat mit einer 50 % iger Sicherheit auch seinem Sohn diese Krankheit vererbt. Wie lebt eine Familie mit so einer Diagnose, die wie ein Damokles Schwert über dem täglichen Leben hängt ?

Ich finde die Schriftstellerin hat dies mit Bravour geschafft. Der Leser wird gut über diese Erkrankung informiert, bekommt Einblick in das Gefühlsleben der Familie O`Brien und kann in etwa nachvollziehen, was das Leben mit dieser Diagnose bedeutet. Ein täglicher Kampf, Schuldgefühle , Angst seine Familie nicht richtig versorgt zu wissen, ein schlechtes Gewissen der Kinder ihr eigenes Leben zu leben, aber auch eine Entscheidung zu fällen " Lass ich mich untersuchen ? Will ich das Ergebnis überhaupt erfahren und wie gehe ich dann damit um ? Dieses Buch setzt eine große Gedankenspirale in gang.

Bis auf den Anfang, den ich ein bisschen langatmig fand, was aber das weitere Buch schnell relativiert hat, fand ich dieses Buch mehr als gelungen. Ich finde es auch toll, dass Frau Genova diese Erkrankung für ihren neuen Roman gewählt hat, denn viele Menschen kennen dieses Krankheitsbild nicht und schließen womöglich voreilige Schlüsse, wenn sie einen Menschen mit seinen Symptomen sehen. Was aber ganz wichtig ist, diese Menschen brauchen Unterstützung. Bei solch einer "geringen" Krankheitsrate, werden Forschungsgelder, die Hoffnung auf Verbesserung oder Heilung dieser Erkrankung bieten würden, sicherlich nicht in Strömen fließen. Aber auch diese Menschen brauchen Unterstützung und eine Lobby und das Wissen, dass wir sie nicht allein lassen und aus der Gesellschaft stoßen, weil ihr Verhalten nicht angemessen ist, wäre sicher ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Geben wir ihnen , wie die Schriftstellerin, eine Stimme !!!!!