Rezension

Ich stelle mich schlafend

Ich stelle mich schlafend
von Deniz Ohde

Bewertet mit 3 Sternen

Als 14-Jährige verliebt sich Yasemin in ihren Nachbarn Vito. Wunderbar lassen sich auf den eher schweigsamen Jungen alle möglichen Dinge projizieren – was Yasemin auch ausgiebig tut. Vito genießt ihre Bewunderung, ist aber vor den Kopf gestoßen, als Yasemin sich nach einer Wirbelsäulenverletzung und dem darauffolgenden Sanatoriumsaufenthalt zurückzieht. Die Beziehung endet. Yasemin wächst zu einer sehr unsicheren Frau heran, die sich schwertut, Dinge zu genießen. Doch gerade als sie auf einem guten Weg ist, trifft sie Vito wieder und fällt in alte Muster zurück. Schafft sie es nochmal auszubrechen?

Deniz Ohne Schildert in „Ich stelle mich schlafend“ anhand von Details das stetige übergriffige Verhalten, das Frauen von klein auf erleben. Sie schildert das folgende Verstummen und das Zweifeln an sich selbst, die ständige Unsicherheit. Allein schon die als Anekdote erzählte Geschichte, dass Yasemins Mutter bei ihrer Zeugung alkoholbedingt nicht bei Bewusstsein war und das Kind infolgedessen eher ein Unfall spricht Bände. Man möchte die Eltern schütteln, die so etwas ihrer kleinen Tochter vor den Kopf werfen, als sei das normal und unbedenklich. Kein Wunder also, dass wir hier eine Hauptfigur haben, die Übergriffigkeit nichts aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat. Selbst diese zu erkennen und zu benennen ist ihr oft nicht möglich. Das ist traurig und frustrierend zu lesen.

Es steckt viel gute Gesellschaftskritik in diesem Buch, aber irgendwie kann die Story dabei nicht ganz mithalten. Die Leserin muss viel Gleichgültigkeit ertragen, da Yasemin fast alle Gefühle von sich abspaltet. Man möchte sie wütend sehen, aber so weit ist sie - zumindest an dem Punkt bis zu dem das Buch sie begleitet - noch nicht.

Sprachlich fand ich den Roman anfangs etwas sperrig, das gab sich aber. Stellenweise wurde es regelrecht soghaft und ich habe mir einige Sätze angestrichen. Dann zog es sich wieder, einfach weil der Fokus mehr auf der Botschaft als auf der Handlung lag.

Ich bin also ein wenig zwiegespalten. Teils fand ich den Roman richtig gut und Ohdes Ton wie bereits in „Streulicht“ gerade in seiner zurückgeommenheit sehr berührend. Dann trat er mir wieder zu sehr auf der Stelle und konnte mich ob der gemächlichen Handlung einfach nicht mitreißen.

Ohde beschreibt war gekonnt die Alltäglichkeit von übergriffigen Handlungen und toxischen Beziehungen. Aber genau an dem Punkt lag für mich auch die Schwachstelle: Es gibt mitreißendere Bücher zu diesen Themen - Rote Augen, Euphoria, Das Licht ist hier viel heller, Geordnete Verhältnisse oder Macht um nur ein paar zu nennen. Ich bin mir auch im Klaren darüber, dass Ohde eben nichts Mitreißendes schreiben wollte, sondern es ihr gerade um die Stille und die daraus folgende Tragik geht. In „Streulicht“ fand ich das auch sehr gelungen, aber hier wirkte es mir etwas zu gewollt.