Rezension

Keine "harmlosen" Berührungen

Ich stelle mich schlafend
von Deniz Ohde

Bewertet mit 5 Sternen

Yasemin sieht ihn zum ersten Mal auf dem Balkon der Nachbarwohnung. Vito ist gut aussehend, ein wenig verwegen, nicht wirklich durchschaubar, aber sie ist sich sicher, dass sie in ihn verliebt ist, denn gibt es nicht so viele Zeichen, die darauf hindeuten, dass sie füreinander bestimmt sind? So auch Jahre später, als sie sich nach Langem wiedersehen. Doch was das Schicksal vorherbestimmt zu haben scheint, wird für Yasemin zu einer folgenschweren, toxischen Beziehung.

Mich hat “Ich stelle mich schlafend” zunächst interessiert, da mir die Sprache der Autorin in ihrem Debütroman “Streulicht” wahnsinnig gut gefallen hat. Mit diesem Buch  habe ich mich allerdings schwerer getan. Vielleicht waren es die Zeitsprünge - der Anfang, der das Ende in Teilen schon vorweg zu nehmen scheint. Vielleicht war es die Hauptcharakterin, in die ich mich so schwer hineinfühlen konnte, aufgrund ihrer Angewohnheit alles als Zeichen des Schicksals zu interpretieren. Rückblickend sehe ich jedoch, dass es genau so eine Hauptfigur brauchte, um die drastische Abwärtsspirale zu zeichnen, die Deniz Ohde zum Thema ihres Romans macht.

In ungeschönten Worten entwirft sie das allzu präsente Bild einer Frau, die sich freiwillig in absolute Abhängigkeit begibt, ihre so mühsam erarbeitete Selbstbestimmung Mal um Mal wieder verliert durch das übergriffige Verhalten von Männern. Sie zeigt, wie selbst scheinbar “harmlose” Annäherungsversuche eine Frau in eine lebenslange Opferposition bringen können, in der sie die Schuld bei sich selbst sucht und sich nicht mehr gegen die Aggressionen zu wehren weiß. Es ist ein wahnsinnig wichtiges Buch, das für eine Null-Toleranz-Position gegenüber jeglichem, übergriffigem Verhalten stark macht. Ein Buch, das ich sehr ans Herz lege!