Rezension

Keine leichte Lektüre, aber gehaltvoll und sehr vergnüglich.

Reise nach Laredo -

Reise nach Laredo
von Arno Geiger

Bewertet mit 5 Sternen

Suche nach dem Selbst und dem Wesen des Lebens

„Der Tod könnte schön sein, wenn man gelebt hat“.

Kaiser Karl V. (1500-1558) war der mächtigste Herrscher seiner Zeit, führte unzählige Kriege, unternahm dafür zahlreiche weite Reisen, stets getrieben von der Hoffnung, das Richtige für sein Reich und seine Völker zu tun. Sein überaus anstrengender und ungesunder Lebenswandel ruinierte seine Gesundheit, so dass er schließlich aus eigenem Antrieb abdankte und sich in ein abgelegenes Kloster in Spanien zurückzog. Hier setzt der Roman ein, an einem Tag im Kloster Yuste, an dem der abgedankte König und Kaiser, der sich nun nur noch Karl nennt, im Garten mit Hilfe seiner Bediensteten ein heißes Bad nimmt. Karl ist schon dem Tod nahe, sein Körper von der Gicht gezeichnet. Er leidet unter starken Schmerzen, kann nicht mehr gehen, ist übergewichtig und unbeweglich, ein immer schon hässlicher, nun auch todkranker und eigensinniger alter Mann. Er weiß um seine Fehler und Fehlschläge in der langen Regierungszeit. In die klösterliche Einsamkeit hat er sich zurückgezogen, um seine Persönlichkeit zu ergründen, das Wesen des Lebens zu erkennen. Aber weder in der Religion noch in der langweiligen Alltagsroutine findet er Antworten. Er betäubt sich mit Alkohol und Laudanum.

Da trifft er auf den elfjährigen Geronimo, der nicht weiß, dass er ein illegitimer Sohn Karls ist. Auch den Jungen quält Langeweile, und sie verabreden sich, in der Nacht heimlich davonzureiten. Die lange, beschwerliche Reise von der Extremadura nach Laredo an der Nordküste wird nun in allen Einzelheiten geschildert, mit zahlreichen Abenteuern und skurrilen Begegnungen, obwohl den Lesern klar sein muss, dass Karl zu einer solchen Reise nicht mehr fähig ist. Das mindert aber nicht das Vergnügen an der Lektüre all der fantastischen und drastischen Begebenheiten, die den Reisenden widerfahren. Karl und Geronimo lernen das Leben einfacher Menschen mit seinen Licht- und Schattenseiten kennen, sie erleben starke Gefühle, und Karl erfährt vielleicht zum ersten Mal das Glück, den Augenblick zu genießen. Wer er ist, das fragt er sich noch immer.

Im letzten Kapitel befinden wir uns wieder in Yuste. Aber was ist in der Zwischenzeit geschehen? Ein feiner Humor durchzieht dieses Buch. Lebendige und präzise Schilderungen sind durchsetzt mit knappen Merksätzen über das Leben, wie wir es von Arno Geiger kennen. Dieser gehaltvolle Roman ist gewiss keine leichte Lektüre, und doch eine sehr vergnügliche.