Rezension

Kleiner Roman mit großer Wucht

Die Gespenster von Demmin - Verena Keßler

Die Gespenster von Demmin
von Verena Keßler

Bewertet mit 5 Sternen

Die 15-jährige Larissa wohnt mit ihrer Mutter im Mecklenburgischen Demmin. Sie will unbedingt Kriegsreporterin werden und erträumt sich eine heldenhafte und gefährliche Zukunft weit weg von ihrem tristen Städtchen. Doch scheint hinter ihrem Wunsch auch ein guter Teil Alltagsflucht zu stecken. Denn es gibt einiges, was das junge Mädchen belastet.

So setzt ihr ihre Mutter mal wieder einen neuen Partner vor die Nase. Davon kann sie bereits ein Lied singen! Dabei würde sie viel lieber einmal über ihren unbekannten großen Bruder sprechen, der nur ein paar Wochen vor ihrer Geburt einen tödlichen Unfall hatte. Doch das ist ein Thema, an das lieber nicht gerührt wird.

Sprachlosigkeit ist generell ein großes Thema des Romans. Larissa traut sich nicht, offen mit ihre Mutter zu sprechen und auch ihre betagte Nachbarin schweigt lieber, als zuzugeben, wie sehr sie der bevorstehende Umzug ins Altenheim schmerzt und wie stark beim packen die traumatischen Erinnerungen an das Frühjahr 1945 wieder hochkommen, in dem es in Demmin zu einem Massenselbstmord unter der Bevölkerung kam. Ein einfühlsam wiedergegebener Teil deutscher Geschichte, den ich bisher noch nicht kannte.

Larissa ist ein bisschen altklug und motzig aber sehr empathisch. Es hat mir großen Spaß gemacht, sie ein kleines Stück beim Erwachsenwerden zu begleiten. Ihre offene Art macht die vielen schweren Themen dieses Romans auch erst erträglich. So viel Gefühl, so viel Trauer steckt in diesem Buch und doch kommt es eigentlich ganz alltäglich daher. 

Die Gespenster von Demmin ist ein Roman der viel erzählt, ohne dass viel passiert. Ein Roman der sich zurücknimmt und so den Details seiner Geschichte eine viel größere Wucht mitgibt. Ich habe geweint, ich wurde berührt und ich habe etwas gelernt. Besser geht’s nicht.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 07. Januar 2022 um 17:41

Oh, also doch lesen? Seufz.