Rezension

Krimi? Dystopie? Beides?

Hund 51 -

Hund 51
von Laurent Gaudé

Bewertet mit 2.5 Sternen

In „Hund 51“ bekommen wir eine Welt präsentiert, die mindestens dreißig Jahre in der Zukunft liegt, denn der Hilfspolizist Zem Sparak musste vor dreißig Jahren mit Mitte Zwanzig aus seinem Heimatland Griechenland fliehen, als dieses nach seiner staatlichen Insolvenz von dem Megakonzern GoldTex übernommen und in eine Müllhalde umgewandelt wurde. Nun lebt er in einer Megacity mit dem Namen Magnapolis, welche ein Konglomerat aus Ex-Bürgern verschiedenster Nationen zu sein scheint. Die Stadt ist in verschiedene Zonen (von Zone 1 für die absolute Reichen-Elite über Zone 2 für die Bessergestellten über Zone 3 für die ärmlichen Malocher) eingeteilt und Sparak lebt und arbeitet in Zone 3 als sogenannter „Hund“, denn er spürt kriminellen Fährten nach. Für die Ermittlungen zu einem brutalen Mordfall muss er nun mit Salia Malberg, einer Kommissarin aus Zone 2, zusammenarbeiten. Er entspinnt sich eine verstrickte Ermittlung, die sie bis in die höchsten Kreise Magnapolis‘ führt.

Bei dem Roman „Hund 51“ weiß man irgendwie nie so richtig, mit was man es hier eigentlich zu tun hat. Ist es ein Krimi oder eine Dystopie? Kann es auch beides sein? Ich denke, es hätte beides und darüber hinaus auch noch gut werden können, wenn der Autor nicht aus beiden Genres die absoluten Standards abgespult hätte.

Der Krimi-Anteil, der im Verlaufe des Romans immer mehr die Überhand gewinnt, ist mit klassischen Rollen, klassischen Dialogen und auch einem klassischen Plot bestückt. „Klassisch“ meint hier „wie ein 08/15-Krimi“, denn es gibt die etwas abgehalfterten, mit seinem Leben hadernden Altermittler, die junge, ambitionierte Jungermittlerin aus besseren Kreisen, dialoglastige Sequenzen, in denen Überlegungen zum Tathergang usw. diskutiert werden, Guter-Cop-böser-Cop-Verhöre, politische Verstrickungen, die wahnwitzige, bis schlecht nachvollziehbare Zusammenhänge zwischen den Taten und zwei konkurrierenden Politikern offenlegen. Letztlich ein einfacher Spannungsbogen von „Wer war es?“ und „Warum?“. Allerdings interessierte mich die Auflösung zuletzt kaum noch, da ich den ganzen politischen Intrigen nicht mehr so recht folgen konnte.

Der Dystopie-Anteil beschreibt vor allem in der ersten Hälfte des Romans eine Szenario, dass hinlänglich aus anderen Werken bekannt ist und ein wenig bis stärker an „Bladerunner“ etc. denken lässt. Wir erfahren durch Rückblicke nur sehr spärlich, wie es eigentlich zum Bankrott und dem Komplettverkauf eines ganzen Landes an einen Konzern kommen konnte. So richtig klar werden die Hintergründe bis zum Schluss nicht. Da bleibt Gaudé recht oberflächlich und auch an den Standards des Genres verhaftet. Es gibt wieder einmal die Zonen, die Arm und Reich voneinander trennen, es gibt Gesundheitsimplantate, die ein längeres Leben versprechen, was aber nur den Reichen zugänglich gemacht wird. Ironischerweise begeht Gaudé den Fehler, dass selbst in 2055 (oder später, wir bekommen keine Zeitangabe im Buch) noch Polizeiakten und ähnliche Unterlagen in Papierform existieren… Und das, wo wir doch jetzt schon kaum noch Papierakten in Krankenhäusern usw. führen. Nun denn, es zeigt, dass der Autor eher mit simplen Ideen glänzt statt mit einem durchdachten Worldbuilding dieser Zukunftswelt.

Ich hatte ehrlich gesagt, nicht so viel Krimi und mehr Dystopie erwartet. Sprich, ich hätte gern mehr über diese zukünftige Welt erfahren und hätte nicht die ganzen politischen Verwicklungen und Intrigen zum Schluss noch gebraucht. Die beiden Hauptfiguren sind zwar gut skizziert, aber auch dort hätte es noch mehr psychologische Tiefe geben können. Während mich der Roman größtenteils mit seiner soliden Schreibe gut unterhalten, manchmal vielleicht etwas verwirrt hat, finde ich das Ende allerdings nicht sonderlich gelungen. Um es deutlicher zu sagen: Das Ende ist hanebüchen, nicht nachvollziehbar und lächerlich, wenn es nicht so ernst wäre. Es hat mich einfach nur noch aufgeregt und verärgert, ob seiner fehlenden Glaubhaftigkeit.

Zuletzt könnte man konstatieren, dass zwar die Idee gar nicht schlecht ist, einen Krimi-Plot mit einer Dystopie zu koppeln, manchmal es aber auch einfach gut ist, entweder das eine oder das andere zu machen, dafür dann aber auch kreativ und ausgegoren.

2,5/5 Sterne