Krone des Himmels
Bewertet mit 5 Sternen
Im Jahr 1187 ruft Papst Gregor VIII. die christlichen Gläubigen auf, das Heilige Land zurückzugewinnen. Mit dem Sieg Saladins über das Königreich Jerusalem war nämlich auch die Stadt Jerusalem verloren gegangen.
So beginnt 1189 der Dritte Kreuzzug unter der Führung von Friedrich Barbarossa, Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Daneben brechen auch die Heere von Philipp II. von Frankreich und Richard Löwenherz, König von England, auf. Ein buntes Gemisch aus Kreuzfahrern und Soldaten Christi sowie Pilgern nimmt am Kriegszug im Streit der Religionen teil.
Unter ihnen befinden sich die Handwerkstochter Aveline aus Oberlothringen und Étienne d'Arembour, der in der Grafschaft Tonnerre auf einem Rittergut zu Hause ist. Beide vereint, dass das Schicksal bisher keineswegs freundlich zu ihnen war.
Aveline pilgert nach Jerusalem, um durch das Gebet am Grab Jesu Christi Erlösung von einer schweren Schuld zu erbitten. Am Beginn ihres Weges ist sie eine wehr- und rechtlose Frau. Bereits einmal hat sie dies zu spüren bekommen, als sie von einem Ritter geschändet und geschwängert wurde. Auf ihrer Reise sieht sie sich nach anfänglich gutem Verlauf in der Gemeinschaft von Pilgern, in der sie seit Langem so etwas wie Geborgenheit entdeckt, bald unterschiedlichen Gefahren ausgesetzt und ist nach dramatischen Ereignissen gezwungen, als Bogenschütze Avery in Männerkleider gehüllt Aufnahme im Kreuzfahrerheer von Kaiser Friedrich Barbarossa zu suchen.
Étienne, dritter Sohn aus adligem Hause, leidet unter der angeborenen Missbildung seines Fußes. Die Verkrüppelung ist Grund für die Ablehnung durch den Vater, obwohl Ètienne sich ständig um dessen Wohlwollen bemüht. Der junge Mann trägt schwer an der Last des Ausgestoßenseins und der damit verbundenen Erwartungslosigkeit. Auf ein Erbe braucht der Neunzehnjährige nicht zu hoffen. Wird er tatsächlich immer auf die Barmherzigkeit von Menschen angewiesen sein, die ihn verachten?
Für Ètienne soll es nicht allein das sein, was das Leben ihm bietet. Deshalb macht er sich mit einem gestohlenen Pferd, ein paar Vorräten und Decken auf den Weg, stets mit der Furcht im Nacken, von seinem Vater oder den älteren Brüdern zurück in sein „Gefängnis“ geschleift zu werden. Stattdessen wird er überfallen, und es ist nur dem Wundarzt Caspar zu verdanken, dass er überlebt.
Vor Akkon, dem Tor zum Heiligen Land, treffen Étienne und Aveline aufeinander. Nach einer Verletzung offenbart sich dem angehenden jungen Wundarzt das Geheimnis von Aveline. Sie nähern sich an, und in ihrem Ringen um Würde, Aufrichtigkeit und Anerkennung erfahren sie beim jeweils anderen Zuspruch und Liebe. Im Verlauf des Geschehens wachsen ihre Gefühle, die sich indes immer wieder bewähren müssen, während die Belagerung von Akkon andauert. Denn es ist nicht nur die Angst vor der Entdeckung, die ihren Tod bedeuten würde, sondern auch Zweifel an der Loyalität, die ihre Empfindungen in Zwiespalt geraten lassen ...
Es ist ein hehres Ziel, das sich die Kreuzfahrer des Dritten Kreuzzuges gestellt haben: Jerusalem soll den Händen der heidnischen Sarazenen entrissen werden. Tausende Ritter nehmen unter Führung ihrer jeweiligen Herrscher das Kreuz und ziehen mit ihren Männern ins Heilige Land. Doch der charismatische Kaiser Barbarossa stirbt bereits auf der Reise, und Phillip II. Und Richard Löwenherz sind wegen familiärer Verwicklung – wie es scheint – heillos zerstritten.
Die Last der Kämpfe und des Krieges ruht sowieso auf den Schultern jener Menschen des Heeres, zu denen unter anderem Aveline/Avery und Étienne gehören. Deren Schicksal setzt Juliane Stadler mit „Krone des Himmels“ ein beachtliches und meisterhaftes Denkmal.
Sorgfältige Recherche zeichnet den Roman aus, der in seiner detaillierten Fülle hinsichtlich der Schilderung von Krieg, Gewalt und Grausamkeit, Leid, Schmerz und Verlust, indes ebenso Mut, Freundschaft und Hoffnung, Mitgefühl, Toleranz, den Umgang mit Andersgläubigen und letztlich auch Liebe, Fürsorge und Wärme überwältigend, jedoch nicht überfordernd wirkt. Er zieht seine Kraft aus den Momentaufnahmen, dem bewegten und bewegenden Blick auf eine anschauliche und mitreißende Szenerie in das Leben, Leiden, Lieben und Sterben im 12. Jahrhundert. Dabei legt die Autorin Augenmerk auf das Dasein ihrer Figuren, die an historischen Schauplätzen in unterschiedlichen Situationen an der Seite einst realer Persönlichkeiten agieren.
Die Kombination aus tatsächlicher Geschichte und Fiktion ist herausragend und beeindruckt besonders, weil es sich bei „Krone des Himmels“ um den Debütroman von Juliane Stadler handelt, um so mehr.
Die Autorin vermittelt erfolgreich die politischen und Hintergründe für den Kreuzzug und beschreibt mit Eloquenz, Glaubwürdigkeit und opulenter Fabulierfreude im Wechsel der Perspektiven das Geschehen um ihre Protagonisten. So ermöglicht sie den Zugang zur Gedankenwelt der handelnden Menschen.
Mit ausgesprochener Kunstfertigkeit hat die Autorin die Ausarbeitung der Charaktere vorgenommen, deren Stärken und Schwächen facettenreich und authentisch geformt. Sie geht achtsam mit ihren Figuren um und gibt ihnen reichlich Raum zur Entfaltung. Einige von ihnen sind zwar in der Bösartigkeit zu einseitig dargestellt, aber das sei der Autorin verziehen, weil die Ablehnung auch auf Seiten der Leserschaft ist.
Eines beweist Juliane Stadler mit ihrer prachtvollen „Krone des Himmels“, das als Hardcover mit Lesebändchen außerdem mit Landkarten, einem Nachwort mit den historischen Fakten und den hiervon vorgenommenen Abweichungen, einem Personen- und Ortsnamensverzeichnis sowie Glossar ausgestattet ist:
„Wenn du es willst, kannst du dein Leben selbst in die Hand nehmen.“ (Seite 150)