Rezension

Lest es. Lest es nicht.

Tu es. Tu es nicht. - Steve J. Watson

Tu es. Tu es nicht.
von Steve J. Watson

Bewertet mit 3 Sternen

"Tu es. Tu es nicht." ist der zweite Thriller des Autors S.J. Watson, der mit seinem Debüt "Ich. Darf. Nicht. Schlafen" direkt einen Bestseller gelandet hat. Dieser wurde zwischenzeitlich sogar mit den Schauspielern Nicole Kidman und Colin Firth in den Hauptrollen verfilmt. Ich selbst habe "Ich. Darf. Nicht. Schlafen" noch nicht gelesen, sondern ganz rebellisch zuerst zu seinem Nachfolger gegriffen.

Dass S.J. Watson einiges von seinem Handwerk versteht, durfte ich gleich zu Beginn feststellen. Die ersten Seiten lasen sich weg wie nichts. Innerhalb kürzester Zeit war ich mittendrin in Julias Geschichte.
In meiner Jugend war ich ein großer Fan von den spannenden Romanen der kanadischen Autorin Joy Fielding. Beim Lesen von "Tu es. Tu es nicht." fühlte ich mich an diese Bücher bzw. die für mich sehr berauschende Lesezeit erinnert. Auch hier steht eine Frau im Mittelpunkt, die eigentlich ein glückliches Leben zu führen scheint. Zusammen mit ihrer Familie lebt sie in London. Ihr Mann Hugh ist ein angesehener Chirurg, ihr Adoptivsohn Connor entwickelt sich prächtig und sie selbst kann ihrer Passion, dem Fotografieren, nachgehen - wenn auch nicht so leidenschaftlich wie früher. Aus dem "Früher" seiner Protagonistin macht S.J. Watson anfangs noch ein Geheimnis und lässt nur hin und wieder kleine Erinnerungen einfließen. Dass Julia eine bewegte Vergangenheit hat, ist uns Lesern jedoch von Anfang an klar.

Julias aktuell sehr angenehmes Leben wird mit der Nachricht vom überraschenden Tod ihrer Schwester Kate ins Wanken gebracht. Während die zwei Schwestern früher ein sehr gutes Verhältnis hatten, haben sie sich in der jüngsten Vergangenheit mehr und mehr entfremdet.
Julia ist schockiert, denn Kate wurde ermordet. Sie reist nach Paris, wo ihre Schwester zuletzt gelebt hat und versucht sich Kate auf diese Weise post mortem wieder anzunähern. Was für ein Leben hat Kate geführt? Warum musste sie sterben?
Julia lernt bei ihren Nachforschungen eine Seite an ihrer Schwester kennen, von der sie keine Ahnung hatte und verliert sich dabei selbst in einem Strudel aus geheimen Sehnsüchten, die bisher im Verborgenen geschlummert haben. In welche Gefahr sie dabei sich selbst und ihre Familie bringt, erkennt sie viel zu spät.

S.J. Watson nimmt sich Zeit, um seine Protagonistin, ihre Gedanken und ihr Handeln so authentisch wie möglich darzustellen. Der Leser soll verstehen, warum sie sich so verhält und warum sie sich schließlich in solche Gefahr begibt. Das hat mir unheimlich gut gefallen, auch wenn ich sagen muss, dass es mir nicht gelungen ist, Sympathien zu den Figuren aufzubauen. Doch man muss eine Protagonistin schließlich nicht sympathisch finden, um das Buch zu mögen, oder doch? Wichtig ist vor allem, dass die Figuren glaubhaft und nachvollziehbar handeln, und das haben sie hier, zumindest bis zu einem gewissen Punkt, getan. Julia ging mir leider immer mehr auf die Nerven und ich konnte ihr egoistisches Verhalten nur mit einem Kopfschütteln quittieren, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Mutter.

Mir war recht schnell klar, worauf diese Geschichte hinausläuft und so konnte ich mich bis zum Showdown relativ entspannt zurücklehnen. Der Showdown an sich wurde mir schließlich etwas zu dramatisch aufgebauscht, doch am Ende ist es dem Autor tatsächlich noch mal gelungen, mich mit seiner Auflösung zu überraschen. Insgesamt war es wirklich eine runde, gut durchdachte und ebenso gut aufgebaute Geschichte, deren schlussendliche Entwicklung mir im letzten Viertel aber nicht mehr ganz so gut gefallen hat, was wohl hauptsächlich an der Protagonistin lag. 

Dieser Thriller ist meiner Meinung nach kein Must-Read, dennoch habe ich ihn gern gelesen. Unterhaltungsliteratur, die eine stets aktuelle Gefahr thematisiert und aufgrund des mitreißenden Schreibstils auch ungeübte Leser schnell in den Bann ziehen kann. Leseempfehlung, ja oder nein? Entscheidet selbst. Lest ihn, oder lest ihn nicht. Tut es, oder tut es nicht.