Rezension

Mehr Drama als Thriller

Tu es. Tu es nicht. - Steve J. Watson

Tu es. Tu es nicht.
von Steve J. Watson

Lange ist es her, dass ich Ich.Darf.Nicht.Schlafen gelesen habe und immer wieder habe ich recherchiert, wann endlich ein neuer Thriller erscheint. Jetzt ist es soweit und Tu es. Tu es nicht ist auf dem Markt. Es ist die Geschichte einer jungen Frau. Sie ist Ehefrau. Sie ist Mutter eines Adoptivsohnes. Der junge ist der leibliche Sohn ihrer Schwester, die damals zu jung war und zu sehr dem Alkohol hingegeben. Sie liebt ihr Leben. Doch nun will die Schwester den Jungen zurück. Wie also soll Julia sich fühlen, als ihre Schwester ermordet wird?

Tu es. Tue es nicht. erzählt den seelischen Zerfall einer Frau, die ein scheinbar perfektes Leben geführt hat oder zumindest versuchte, es so aussehen zu lassen. Bei ihrer Suche nach dem Mörder ihrer Schwester - was für sie eine Art Trauerbewältigung ist - wird sie dieser immer ähnlicher. Sie verfällt dem Alkohol, erneut. Sie lässt sich auf eine Affäre ein, die ursprünglich nur für Recherchezwecke gedacht hat. Sie belügt ihre Familie. Und gleichzeitig bin ich überrascht davon, wie hoffnungslos naiv sie sich dem Internetdating hingibt.

Anders als bei Ich.Darf.Nicht.Schlafen will hier das Gefühl, einen Thriller vor sich zu haben, nicht recht aufkommen. Ein Familiendrama, ja. Einen klassischen Roman, ja. Einen Thriller? Eher nicht. Die Spannung will sich nicht so recht aufbauen bzw. sie kommt einfach nicht in Fahrt. Es ist, als würde man die ganze Zeit mit angezogener Handbremse fahren. Zwischendurch gibt es Momente, bei denen ich dachte "Jetzt! Jetzt geht's los und Watson gibt Vollgas!". Aber stattdessen - um bei der Autometapher zu bleiben - gibt es statt Vollgas eine Vollbremsung und das bisschen Spannung, das sich aufgebaut hatte, verpufft. Die Handbremse wird wieder angezogen und es geht mühsam weiter.

Der erste "Aha, jetzt wird es doch noch ein Thriller"-Moment kam auf Seite 326. Aber obwohl die Thrillerelemente nun nach und nach eintrafen, blieb die Spannung aus. Natürlich wollte ich jetzt, da ich schon so viel gelesen hatte, wissen, was die Motive sind. Aber das Unterlippekauen-Nägelknabber-Herzrasen blieb aus. Vielleicht waren meine Erwartungen nach Ich.Darf.Nicht.Schlafen einfach zu hoch.

Tu es. Tu es nicht. ist in meinen Augen mehr Drama als Thriller. Das Ende ist ebenso enttäuschend wie die restliche Geschichte und irgendwie empfand ich es sogar als frech, nach diesem langatmigen Möchtegern-Thriller mit einem derartigen Ende abgespeist zu werden. Anders verpackt hätte ich es vielleicht gut gefunden. Beispielsweise, in dem man das Ende als Prolog voranstellt und dann erzählt, wie es dazu kommen konnte. Aber so? Ob ich noch einmal ein Buch von S. J. Watson lesen werde, weiß ich nicht. Die Enttäuschung ist groß.
 

(c) Books and Biscuit

Kommentare

Kristine liest kommentierte am 14. September 2015 um 18:22

Ich hatte das Buch auch so erwartet... Und nun höre ich immer wieder, dass es mit dem Vorgänger nicht zu vergleichen ist. Dann werde ich es wohl nicht lesen.