Rezension

Liebesgeschichte mit wichtigen gesellschaftskritischen Themen

Ava liebt noch -

Ava liebt noch
von Vera Zischke

Ava ist 43, hat 3 Kinder, lebt in einem großen Haus mit ihrem Mann, der eine Kanzlei hat. Ihr Mann überlässt die Kinderversorgung und Familienarbeit ihr. Finanziell geht es ihnen gut. Doch Ava fühlt sich in ihrem Leben gefangen und erschöpft durch die Familienarbeit.

Beim Einkaufen im Supermarkt begegnet sie Kieran, der dort Regale einräumt. Für Ava ist Kieran eine besondere Begegnung. Sie schwärmt von ihm und sucht jedes Mal nach ihm, wenn sie einkaufen ist, nur um ihn zu sehen.

Nachdem ihre Tochter einen Unfall im Schwimmunterricht hat, sieht sie Kieran, den Schwimmlehrer ihrer Tochter, im Krankenhaus wieder. Was für Ava anfangs nur eine Schwärmerei ist, entwickelt sich zu einer großen Liebe, die die Jahre überdauert. Ava genießt kurze Zeiten der Freiheit mit Kieran, die sie zuletzt erlebt hat, bevor sie Kinder bekommen hat. Aber auch Kieran trägt sein Päckchen und hat Lebensaufgaben zu bewältigen.

Das erste Drittel des Buches gefällt mir gut. Besonders der Aufbau und die Entwicklung der Geschichte. Ich konnte mich in Avas und in Kierans Geschichte einfühlen. Über das Buch hinweg gab es immer wieder Stellen, die ich schön geschrieben fand, weil die Sätze für mich zeitlos sind. Dass Ava und Kieran ihre Gedanken und Erlebnisse jeweils aus ihrer Sicht erzählen, hat mir sehr gut gefallen. Zeitweise hatte ich dennoch Probleme mich zu orientieren, wer gerade erzählt.

Nach dem ersten Drittel des Buches ging mir einiges zu schnell, war zu glatt oder zu einfach. Vielleicht war es auch zu viel für diesen Text, sodass einiges zu kurz kam. Da war z.B. der berufliche Wiedereinstieg von Ava. Als dreifache Mutter sieben Jahre aus dem Beruf zu sein und dann scheinbar so einfach einen Teilzeitjob als Lektorin zu finden. Das entspricht nicht der Realität.
Die Krebserkrankung ist mir auch zu einfach und schnell abgehandelt. Das wirkt unrealistisch. Ich empfand es als zu viel Drama, das wiederum textlich nicht tief genug ausgearbeitet wurde. Man hätte es auch weglassen können, ohne dass es sich nachteilig für die Geschichte ausgewirkt hätte oder bearbeitet das Thema tiefer.
Die „Aufsteigergeschichte“ von Kieran ist mir zu glatt. Das Literaturstudium und die Herausforderungen als Kind aus einfachen Verhältnissen waren teilweise noch gut dargestellt. Der Master in den USA, der „einfach“ erhaltene Platz an einer der renommiertesten Journalistenschulen und die anschließende Journalistenkarriere fand ich etwas konstruiert. Da muss man schon sehr viel Glück haben. Kierans Laufbahn ist einfach nicht repräsentativ. Selbst die renommierten Journalistenschulen schreiben, dass sie nicht mehr alle Absolventen prominent unterbringen. Ganz zu schweigen von Menschen, die aus einfachen sozialen Milieus im Journalismus aufsteigen wollen.

Ab Seite 140 fliegen die Jahre nur so dahin. Mit dem Alter der Protagonisten habe ich mich deshalb im Laufe des Romans schwergetan. Oft habe ich mich gefragt, wie alt wer jetzt gerade ist, in dieser speziellen Situation bzw. wann was passiert.

Als Film würde sich die Story sicherlich sehr gut eignen. Da hätten die vielen Szenenwechsel über die vielen Jahre besser gepasst. In einem 300-Seiten-Buch die Lebensgeschichte einer Person von 43 Jahren bis in ihre 60er und einer weiteren Person von 24 bis in die 40er zu beschreiben, finde ich ambitioniert. Wichtige Themen sind mir zu kurz gekommen.
Über die Kinder erfährt man und ihre Gefühle erfährt man wenig. E sind eher „Schlaglichter“. Über Kierans Vergangenheit erfährt man nicht viel, über Avas Vergangenheit nichts. Dennoch finden sich gute Ansätze und wichtige Themen im Buch, wie die Tochter, die später als alleinerziehende Mutter lebt. Dann der Sohn, der Herausforderungen hat und die zweite Tochter, die mit einer Frau zusammenlebt.

Aufgrund der inhaltlichen Anmerkungen ist es für mich in erster Linie ein Liebesroman. Durch den Klappentext hatte ich etwas anderes erwartet. In Teilen ist es eine traurige Geschichte mit tränenreichen Szenen, wobei das Ende wieder versöhnlich stimmt. Es hätte auch ein gesellschaftskritischer Roman werden können, aufgrund der im Buch erwähnten wichtigen Themen.

Am Ende hat mich das Buch dennoch tief bewegt und nachdenklich gemacht. Es ist aber ein in erster Linie unterhaltsames Buch. Als Liebesroman völlig in Ordnung. Die benannten Themen, die sehr aktuell sind, finde ich aber zu wichtig, um sie ausschließlich in dieser Form zu verarbeiten. Daher meine inhaltlichen Einschränkungen. Sprachlich betrachtet ist der Roman flüssig und schnell zu lesen.