Rezension

So ein gefühlvolles und kluges Debüt

Ava liebt noch -

Ava liebt noch
von Vera Zischke

Bewertet mit 5 Sternen

Ava lebt mit ihrer Familie in einem Einfamilienhaus am Rande einer Neubausiedlung. Als sie hergezogen sind, zählten ihre Bedürfnisse noch, aber im Laufe ihrer Familienplanung, ist sie mit jedem Kind mehr verschwunden, seit dem Dritten, ihrem Sohn Nico, ist sie unsichtbar geworden. Der Spagat zwischen Elternabenden, Hausarbeiten, Hausaufgaben, Wäsche, Einkauf und Kochen, kostet sie alle Kraft. Wenn ihr Mann am Abend aus der Kanzlei kommt, sind Avas Augen vor Erschöpfung zugefallen. Sie hat es aufgegeben, das leidige Thema anzusprechen. Sie dürfe sich nicht beschweren, es ginge ihnen doch besser denn je. Wenn er sie berühren will, weist sie ihn zurück, ist es satt, sich verpflichtet zu fühlen, auch im Schlafzimmer noch zu performen. 

Unsere Ehe ist wie eine Zimmerpflanze, über deren Pflege wir nichts wissen, weil ihr immer ein bisschen Wasser gereicht hat, um zu überleben. Und jetzt lässt sie Blätter hängen und wir stehen staunend davor, sehen zu, wie sich die Blätter gelb verfärben und einrollen, und fragen uns, was sich verändert hat. S. 42

Ava hetzt durch den Supermarkt, bis sie ihn neben den Windeln sieht. Er räumt die Babybreigläschen in die Regale. Unter seinem T-Shirt zeichnen sich die definierten Schultermuskeln ab. Vor ihr kniet der leibhaftige Adonis. Sie greift nach den Windeln, will schnell weg, aber er spricht sie an, rät ihr zu einer anderen Packung. Jetzt weiß er, der ihr Sohn sein könnte, dass sie Mutter ist, dass ihre beste Zeit hinter ihr liegt. Scham rötet ihr Gesicht.

Avas zweitälteste Tochter Mia hat genug vom Tennis. Ihre Mutter überredet sie zu einem Schwimmkurs. Sie begleitet die umgezogene Mia in das Hallenbad. Der Schwimmlehrer, der sie begrüßt, ist kein Geringerer als ihr Adonis, der sich Kieran nennt. Seine azurblauen Augen glänzen und wecken etwas in Ava, das sie längst vergessen hat. Verlangen.

Fazit: Das ist die beste Liebesgeschichte, die ich je gelesen habe. Vera Zischke hat alles richtig gemacht. Sie spielt mit dem Tabu, ältere Frau findet jungen Mann und macht es glaubhaft. Sie zeigt ihre leere Protagonistin, ausgesaugt vom Muttersein, wie viel die Kinder ihr abverlangen, wie selbstverständlich und entmenschlicht ihr Dasein ist. Ihren Mann, der so beschäftigt damit ist, erfolgreich zu sein und allein darin das Allheilmittel sieht, dass es allen gut geht. „Es geht uns doch gut Ava“! Dann spürt Ava sich wieder, ist wieder ein Mensch, geschätzt und als wertvoll erachtet. Es ist eben genau das, was die Gesellschaft gemeinhin von Frauen erwartet, in der Rolle des Fußabtreters und Putzlumpen aufzugehen, klaglos die besten Jahre ihres Lebens zu verschenken und darin Glückseligkeit zu finden. Das alles macht die Autorin sichtbar und sie berührt. Ich bin von Anfang an in die Geschichte geglitten und habe, wie die Protagonistin schwimmen gelernt. Vera Zischke war meine emotionale Schwimmlehrerin und das hat so gutgetan. Was für ein gefühlvolles, kluges Debüt, dem ich etliche Leserinnen und vor allem Leser wünsche.