Rezension

Loslassen – mit Melodie im Kopf

Claras Melodie - Aurore Guitry

Claras Melodie
von Aurore Guitry

Bewertet mit 5 Sternen

Große Liebe, viel Romantik und das Thema des „Loslassens“ – musikalisch untermalt.

Ein Unfall, eine Komapatientin, ein hoffnungslos verliebter Ehemann, allein gegen die Welt. Nichts neues in der Literaturgeschichte der Neuzeit, nicht wahr?

Obwohl Aurore Guitrys Tagebuch-Roman mit einem schockierenden und traurigen Grundton startet, entfaltet sich aus der anfänglich hoffnungsloser Tragödie eine überdurchschnittlich romantische Liebesgeschichte. Diese beeindruckt nicht nur auf der Gefühlsebene, sondern sie überzeugt mit einem klaren und geschliffenen Schreibstil und bedient sich nebenbei der Eleganz der klassischen Musik.

Die Themen sind wechselhaft: Liebe und Schuldgefühle, Zuneigung und selbstloses Loslassen, Vater-Sohn-Konflikt, nicht zuletzt werden die Grenzen zwischen Leben und Tod und die moralische Verantwortung der künstlichen Lebenserhaltung berührt. Erwartungsgemäß müsste es folglich äußerst trockene Diskussionen um medizinisch-juristische Fragen geben. Derart langweilige Allüren bleiben dem Leser jedoch völlig erspart.

Stattdessen verwandelt sich der Lauf des Geschehens in ein spannendes Suchspiel nach Geheimnissen, die seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart wirken, die dabei hoffnungsvoll und gleichzeitig zerstörerisch zu sein scheinen: Eine verschollene Partitur, die Generationen von Sängerinnen in den Wahnsinn treibt, aber Kranken helfen kann.

Die Hauptfigur und Tagebuch-führender (Ehe-)Mann, der so sehr an seiner Liebe und an seiner Partnerin glaubt und sie so verzweifelt zu retten versucht ist sehr sympathisch. Mit all seinen Taten strebt er nur ein Ziel an: Seine Éléonore aus dem Koma zu erwecken und mit ihr ein glückliches Leben zu führen. Verbissen und unausweichlich, voller Wut und ohne Kompromisse. In stürmischen Etappen – nach einer Reihe von Tragödien, selbstzerstörerischen Gewissensbissen und Missverständnissen – gelangt er zu einem besseren Verständnis des Lebens und zum inneren Frieden. Das gewiss nicht auf einem gewöhnlichen Weg: Nach einer lebenslangen Streitigkeit mit seinem Vater, nach der „römischen“ und „sizilianischen Affäre“ und einer Reihe von mystischen, afrikanischen Ritualen.

Sein Leben wird – selbst, wenn er sich stark dagegen wehrt – stark von der Musik beeinflusst. Seine Gefühlswelt spiegelt sich in Sinfonien, die ihn wie eine innere Stimme begleiten und sich nur durch die afrikanische Spiritualität kurzzeitig ablösen lassen.

Dieses Buch ist mystisch, verrückt, romantisch und musikalisch und seine fesselnde Ruhe ist einzigartig: Absolute Leseempfehlung.