Rezension

Lucie - eine neue Miss Marple?

Die tödliche Tugend der Madame Blandel - Marie Pellissier

Die tödliche Tugend der Madame Blandel
von Marie Pellissier

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Im Roman ist die Geschichte ein Vorwand, ein Gerüst. Das Wesentliche ist der Mensch, den man dahinter spürt, die Person, die zu uns spricht“, sagt Frédéric Beigbeder. Nun, wenn dies so ist, so spürt man im vorliegenden Erstling die Anwesenheit einer sympathischen Autorin mit leichter Hand und eleganter Note, der es ohne großartige Anstrengung gelingt, das Flair von Paris rüber zu bringen. Und das Flair von Paris war ja der Hauptgrund, weswegen ich „Die tödliche Tugend der Madame Blandel“ unbedingt lesen wollte.

An der Geschichte allerdings, dem Vorwand unter dem wir Leser, Marie Pellissier kennenlernen, muss noch ein wenig gefeilt werden, bevor die Figur der Lucie, der Portiersfrau des Hauses Nr. 3 am Place des Vosges, dem vielleicht schönsten Platz von Paris überhaupt, Bestsellerqualitäten entwickelt.

Lucie hat vierzig Ehe- und Berufsjahre auf dem Buckel und ist verheiratet mit Antoine. Ihre hervorstechendsten Eigenschaften sind Verlässlichkeit und Fleiss. Ausserdem kümmert sie sich gern, das heisst Lucie mischt sich gerne ein. Das wird ihr zum Verhängnis als sie es wieder einmal zu gut meint und die gebügelte Wäsche gleich in die Wohnung der Blandels bringt, die sie zu diesem Zwecke unerlaubt mit dem Generalschlüssel aufmacht und dort sogar auch noch aufräumt.

Derartige unüberlegte Handlungen bringen Lucie in die Klemme. Denn Vanessa, die junge Frau von Justinien Blandel, dem angesehenen Geschäftsmann, ist verschwunden, tot, abgemurkst, wird als Wasserleiche in der Seine gefunden, aber ertrunken ist sie nicht. Die Gardienne hat deren Terminkalender mitgehen lassen. Aus Versehen. Lucie beginnt zu ermitteln, parallel zu Kommissar Legrand.

Die Kriminalgeschichte, die sich entspinnt, plätschert mehr oder weniger fröhlich vor sich hin. Der Plot ist ganz nett, doch die Figuren sind nur zur Hälfte ausgemalt, die andere Hälfte fehlt entweder komplett oder passt nicht.

Antoine, der Ehemann Lucie’s, ist ein Trottel. Ich komme nicht dahinter, warum er mit seinem Plan, mit Lucie hinaus ins Grüne zu ziehen so komplett ins Leere läuft. Lucie ist cute, liest den Figaro, und weiss genau, welche Macke zu welchem Hausbewohner gehört, hat vierzig Jahre Berufserfahrung und lässt sich doch von jedem, der ein bisschen Autorität in die Waagschale wirft, aus der Spur bringen, ob das der Kommissar ist, auch ein Trottel, der es nicht auf die Reihe bringt, oder die Blandels oder ihr Ehemann. Sie kann kein einziges Gespräch führen ohne zu erröten und lässt sich ständig irgendetwas aufschwatzen, was sie gar nicht will und ist komplett unorganisiert. Ihr Bild ist nicht stimmig.

Von den Blandels, auf denen der Fokus liegen müsste als Hauptverdächtige erfährt man nicht arg viel, ein paar Eckpunkte, so dass die Story ein Skelett hat, aber es fehlen eingehendere Pyschogramme von Justinien, Georgette und Florine. Justinien ist einerseits ein kalter Geschäftsmann, dann wieder einer, der völlig durch den Wind ist wegen Nichts. Ähnlich seine Schwester Florine, die als Hebamme auch nicht von jedem Lüftchen umgeweht werden dürfte. Am besten ist noch die Figur der Georgette gelungen,die auch am meisten Hintergrund bekommt.

Gelegentlich gibt es ein paar witzige Sticheleien bezüglich unserer französischen Nachbarn.

Wenn man die Kinderkrankheiten des Schreibens mal abzieht, dann kommt als Ergebnis heraus, dass die Gardienne (Portiersfrau) Lucie vielleicht nicht direkt mit Miss Marple mithalten kann, aber doch in die selbe Richtung zielt.

Fazit: Falls Marie Pellissier zukünftig etwas mehr Esprit bezüglich des französischen Savoir vivre und witzige Dialoge einfliessen ließe, sehe ich klare Marktchancen für weitere Lucie-Romane.

Kommentare

marsupij kommentierte am 03. Juni 2014 um 18:45

Das liegt noch auf meinem SUB. Habe die Rezension aber lieber nur überflogen. Bin schon gespannt auf das Buch.