Rezension

"Nicht gedeihen, nicht blühen, nur bleiben."

Altes Land
von Dörte Hansen

Bewertet mit 4 Sternen

Im Alten Land, in der nähe von Stade, ist die Welt noch in Ordnung. Apfelbäume so weit das Auge reicht, jahrzehntealte reetgedeckte Fachwerkhäuser mit dicken Mauern und ein eigenwilliger Menschenschlag, der grob wirken kann auf Außenstehende aber unheimlich herzlich, wenn man ein Teil davon ist.

Hierher, auf Ida Eckhoffs Hof, kam Vera als Kind mit ihrer Mutter. Flüchtlinge aus Ostpreußen, wie so viele andere. Veras Mutter erträgt den Flüchtlingsstatus nicht und sucht schnell einen Ausweg. Vera hingegen kommt nicht weg von diesem Hof, der ihr gleichzeitig Sicherheit gibt und sie fesselt.

„Sie war auf Ida Eckhoffs Hof gespült worden wie ein Ertrinkender auf eine Insel. Um sie herum, war immer noch das Meer, und Vera hatte Angst vor diesem Wasser. Sie musste bleiben auf ihrer Insel, auf diesem Hof, wo sie zwar keine Wurzeln schlagen konnte, aber doch festwachsen an den Steinen, wie eine Flechte oder Moos. Nicht gedeihen, nicht blühen, nur bleiben.“

Was mich am meisten fasziniert hat an dieser Geschichte um Heimat, Familie, Mütter und Töchter war, wie Dörte Hansen es schafft eine Situation immer gleichzeitig traurig aber auch unheimlich herzerwärmend darzustellen. Es passiert etwas tragisches, aber irgendwo ist immer ein Mensch der sich um den anderen kümmert. Still und auf seine eigene Art aber es ist einfach schön zu lesen.

Dieses traurig-schöne mischt Hansen mit durchaus witzigen Passagen. Die Stellen in denen sie die Hamburger Mütter oder die der Idylle wegen aufs Land „geflüchteten“ Intellektuellen aufs Korn nimmt haben Spaß gemacht und die Geschichte aufgelockert. Allerdings war es mir Stellenweise zu klischeehaft – zumindest hoffe ich, dass nicht alle Hamburger Muttis so schrecklich sind, wie die hier beschriebenen.

"Altes Land" ist ein wundervoller Roman mit einer gelungenen Mischung aus tragischen und komischen Begebenheiten. Da es mir persönlich ja kaum zu melancholisch sein kann, wäre ich auch mit etwas weniger Humor und ohne das ein oder andere Klischee gut ausgekommen. Aber das hanseatische Personal und das ernste Grundthema machen „Altes Land“ zu einem durchaus lohnenswerten und sehr berührendem Buch.