Rezension

Rauh, lebendig und voller Höhen und Tiefen

Das Versprechen der Islandschwestern - Karin Baldvinsson

Das Versprechen der Islandschwestern
von Karin Baldvinsson

Bewertet mit 4 Sternen

“Das Versprechen der Islandschwestern” ist ein Roman, dessen Inhaltsangabe mein Interesse sofort entfacht hat.
Das Cover wirkt sehr rauh und sehnsuchtsvoll, was sich unglaublich gut mit dem Setting deckt.
Und das ist auch das Geheimnis dieses Romans.
Island, in seiner ganzen Pracht.
Rauh, melancholisch und auch irgendwie aufregend und wild.
Bei den Beschreibungen die immer wieder einfließen, hat man das Gefühl direkt den Wind auf der Haut zu spüren.
Oh ja, ich freute mich auf die Geschichte von Margarete und Helga. Zwei Schwestern die einst nach Island gingen und deren Herzen gebrochen wurde.
Jahre später, sehr viele Jahre später macht sich Pia mit ihrer Großmutter Greta auf den Weg zum 90. Geburtstag von Omas Schwester Helga.
Kann der Riss der zwischen den beiden besteht wieder gekittet werden, oder ist es längst zu spät dafür?
Und was hält Island für Pia parat, die mit ihrer pubertierenden Tochter Leonie zu kämpfen hat?

Die Autorin hat einen sehr leichten und angenehmen Schreibstil. Sehr sanft, einfühlsam und zum Teil auch etwas melancholisch.
Dennoch konnte ich lange Zeit keinen richtigen Zugang zum Geschehen und zu den Charakteren finden.
Die Atmosphäre war schwer, etwas drückend und trug eine Spur Resignation und Traurigkeit in sich. Zudem hatte ich das Gefühl, ich würde mitten ins Geschehen geworfen werden.
Man erlebt hier im Wechsel zwei Handlungsstränge auf zwei Zeitebenen.
Zum einen erlebt man die Geschichte von Margarete und Helga, die 1949 begann und der zweite Handlungsstrang beinhaltete Pias und Gretas Weg, der 2017 spielt.
Zunächst fand ich besonders die Vergangenheit sehr interessant. Man erlebt eine vor leben sprühende Margarete, die das Gefühl hat, nach den Sternen greifen zu können. Ganz anders Helga. Helga hat mit ihrer Trauer zu kämpfen und wünscht sich nichts sehnlicher als nach Deutschland zurückkehren zu können.
Was also passierte damals, das nicht Helga nach Deutschland zurückkehrte, sondern Margarete?

Die Handlung schritt zunächst sehr mühsam voran. Die Autorin legt hier sehr wert auf Details und Tiefgründigkeit. Was an sich wirklich toll ist, da man so alles umso intensiver in sich aufnehmen kann. Bei mir führte es jedoch dazu, das es meinen Lesefluss doch mitunter beeinflusste.
Später wurde es dann besser, weil die Story interessanter, impulsiver und facettenreicher wurde.
Dabei fand ich insbesondere die Charaktere sehr toll ausgearbeitet. Ganz besonders Margarete konnte ich wirklich sehr gut spüren.
Ihre Lebenslust, ihre Stärke, aber auch ihren tiefsitzenden Schmerz.
Helga erschien mir immer etwas zugeknöpft und unnahbar. Erst in der Gegenwart konnte ich richtig Bezug zu ihr aufnehmen.
Die Gegenwart war deutlich erfrischender. Was vor allem an Leonie lag, die mich mit ihrer jugendlichen Frische zum schmunzeln brachte.
Pia wirkte auf mich etwas verbittert und hektisch.
Erst als ich auf die Hintergründe stieß, wurde das für mich nachvollziehbarer.
Schade empfand ich, das Théo für mich leider gar nicht greifbar war. Interessant wäre hier wirklich seine Perspektive gewesen. Denn oft sieht man nur den Schein, aber nie was in den Menschen tatsächlich vor sich geht. Dennoch konnte ich mir sehr gut vorstellen, was in ihm gebrodelt hat. Wie er mit seiner inneren Zerrissenheit zu kämpfen hatte.
Trotz allem sind alle Charaktere authentisch und lebendig in ihrer Art. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, was hier sehr gut zum Ausdruck kommt.

Für mich war vor allem Island eine wahre Wohltat. Ein Ort der Heilung.
Ein Ort, an dem Träume wahr werden können. Aber auch ein Ort des Schmerzes.
Erst ab Mitte der Handlung hat mir das Lesen deutlich mehr Spaß gemacht.
Denn nicht nur die Vergangenheit bedeutet Veränderung. Auch die Gegenwart tut dies. Immer wieder verschmelzen einzelne Komponente ineinander und man begreift , das Zeit keine Rolle spielt.
Wichtig ist, das wir über unseren Schatten springen und endlich Heilung und Glück erfahren können.
Unseren Stolz hinter uns lassen und endlich unsere ganze Stärke hervorkommt lassen.
Denn nur so ist das möglich.
Die Dramatik, aber auch die zwischenmenschlichen Aspekte kommen nicht zu kurz.
Man erlebt traurige, glückliche und wütende Momente.
Momente, die Schmerz rauslassen.
Momente, die pures Glück erfahren lassen.
Ohne Frage hat mich diese Geschichte wirklich beschäftigt. Sie war intensiv. Zum Teil laut, aber auch sehr sanft und leise.
Als die Auflösung vor mir lag. War ich nicht überrascht. Aber ich habe verstanden.
Denn Schmerz, Demütigung und Stolz kann den Menschen zum äußeren treiben. Blind vor Tränen und Wut, sieht man nur noch den eigenen Schmerz.
Aber vielleicht bedeutet das nicht das Ende. Manchmal müssen sich die Schicksalsfäden neu verbinden, damit Glück einziehen kann. Wenn auch wie hier mit einem bittersüßen Beigeschmack.

Die Autorin hat diesen Roman wirklich großartig strukturiert, für mich hätte er eben nur etwas temporeicher sein können.
Ein Roman der in erster Linie mit dem Setting punktet und viel Dramatik, als auch Tragik für den Leser bereithält.
Es geht um Veränderung, um loslassen. Um den Mut zu finden über seinen Schatten zu springen und neu zu beginnen.
Ein Roman der das pure Leben widerspiegelt.
Rauh, lebendig und voller Höhen und Tiefen.

Fazit:
Die Islandschwestern machten es mir nicht unbedingt einfach.
Karin Baldvinsson widmet sich mit sehr viel Feingefühl zwei Schwestern, die sich verloren haben.
Zwei Schicksale. Zwei Zeitebenen.
Ein Roman der vor allem mit dem großartigen Setting Islands punktet und viel Dramatik und Herzschmerz im Gepäck hat.
Ein Roman der für mich zwar kleine Schwächen hat, aber mich letztendlich gut unterhalten konnte.