Rezension

Rechnet mit Algorithmen und gebt den Biologen die Schuld!

Homo Deus - Yuval Noah Harari

Homo Deus
von Yuval Noah Harari

Bewertet mit 5 Sternen

Oder, wie im 21. Jahrhundert die Grenze zwischen Geschichte und Biologie unscharf wird, weil ideologische Fiktion die DNA-Stränge neu schreibt und Geographie dem Cyberspace weicht.

Zugegeben, bis zum Verstehen dieser Aussagen, musste ich einen 600 Seiten langen Weg im Buch von Yuval Noah Harari beschreiten, aber der Geduld und präzisen Herleitungen des Autors sei Dank, habe auch ich seiner Zukunftsvision folgen können. Fühlte ich mich, wie auch schon in "Eine kurze Geschichte der Menschheit" stilistisch an Richard Dawkins, und thematisch an Bill Bryson und Richard Fortey erinnert, so hat Harari mich diesesmal im dritten Teil des Buches "Homo sapiens verliert die Kontrolle" in eine zukünftige Welt blicken lassen, die mir sowohl Angst macht, aber auch ein wenig vom Schrecken des Unbekannten genommen hat. Eine Zukunft, die aller Beharrlichkeit meinerseits (kein Smartphone, kein Facebook) zum Trotz, schon begonnen hat (denn diese Zeilen schreibe ich im Internet).

Ein kurzer Abriss über die Entwicklung der Ideologien des Menschen, über seine Glaubensvorstellungen und seiner Weltbilder, führt schließlich zur Erkenntnis, dass letztendlich alles Algorithmus (ja, auch unsere DNA) ist, dieser von Maschinen besser gespeichert und verarbeitet werden kann und die Krone der Menschheit wohl nur noch eine konstitutionlle Monarchie beschreibt und die Macht bei den Rechenzentren und ihren Datenspeichern liegt.

Schon jetzt können Rechtsberatungen mit Computern besser erstellt, schwierigste Operationen in hochmodernen Karnkenhäusern von Robotern präziser ausgeführt und Finanztransaktionen an den Börsen schneller berechnet werden. Anwälte, Ärzte, Makler werden in Zukunft den gleichen Weg gehen, wie die Pferde nach der Erfindung des Automobils.

Aber Harari hat hier keine Dystopie geschrieben, sondern vielmehr einen Aufruf an den Leser gestartet, sich zu fragen, ob dieser Kenntnisstand bindend ist, oder ob es da noch vielmehr zu entdecken gibt, was den Menschen nicht obsolet macht. Viel gibt es da noch auf dem Gebiet der Bewusstseinszustände von Menschen mit abweichender Norm (Autismus, Schizophrenie) zu entdecken. Oder denken wir noch an all die unerforschten "Begabungen" von Pflanzen und Tieren.

Politische Systeme, Glaubensvorstellungen und gesellschaftliche Normen ändern und entwickeln sich. Wir müssen nur präziser darüber nachdenken, wohin uns die Wissenschaft und Forschung bringen soll und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Insofern ist Hararis Buch eine aufrüttelnde Lektüre, die uns alle angeht.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 08. Februar 2019 um 17:54

Also, was die Ärzte angeht, da weiß ich nicht, ob ein Sterbender vllt doch nicht den Roboter an seinem Bett sitzen haben möchte, der ihm sagt: "Noch 141 Minuten!"

Trotzdem sind wir tatsächlich schon in einer Zukunft, die wir wahrscheinlich nicht besonders mögen werden. Bis auf die, die sich alles werden leisten können. Insoweit werden wir politisch wieder mittelalterliche Strukturen haben und die Demokratie wird schnell sterben.

Davon bin ich überzeugt. Allerdings werden wir da nicht viele Jahrhunderte bleiben, weil alle Ressourcen, die dafür notwendig sind, endlich sind. Gott sei Dank.

Und Richard Dawkins: ihhhhhhhhh.

 

Emswashed kommentierte am 09. Februar 2019 um 07:54

Dawkins weckt bei mir auch regelmäßig die Streitlust, Harari ist da etwas sachlicher, aber auch witziger. Im Umbruch der Zeit werden Demokratien sterben, aber auch eine Menge Menschen "überflüssig" sein. Die Sonne wird sich weiter aufblähen und der Erde nähern - gut für die Energie der Maschinen! Die Götter der Erde haben sich längst andere Zivilisationen im All gesucht, mit denen sie ihre Spielchen treiben können.

wandagreen kommentierte am 09. Februar 2019 um 08:23

Äh, tatsächlich? ;-)).

Paperboat kommentierte am 13. Februar 2019 um 09:13

Die Sonne wird sich allerdings erst dann rot aufblähen, wenn der Mensch sich selbst längst von der Erde getilgt hat, denke ich.
Demokratie ist bereits jetzt in mancherlei Hinsicht nichts anderes mehr als ein Laienspiel. Die Plutokratie, Herrschaft der Unternehmen, hat bereits begonnen und wird künftig immer stärker in den Vordergrund treten.