Rezension

Schöner Roman über das moderne Leben

Strom - Hannah Dübgen

Strom
von Hannah Dübgen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Vier Leben laufen in Hannah Dübgens Roman aufeinander zu, nebeneinander her, voneinander fort. Vier jüngere Menschen und einige andere, die mit ihnen auf die ein oder andere Art verbandelt sind. Vier Menschen, die eigentlich nichts gemeinsam haben, nicht die Heimat, nicht den Wohnort, weder Beruf noch Weltanschauung. Und doch sind sie alle Bürger des globalen Dorfs namens Erde und sie sind Vertreter des Typus modernen Menschen, der einer gewissen gebildeten, international agierenden Schicht entstammt. Sie sind Geschäftsmann, Musikerin, Professor oder Filmemacherin. Ihr Lebensmittelpunkt - so es einen gibt - ist Tokio, Paris, Berlin und Tel Aviv. Und doch laufen viele unsichtbare, im Verlauf der Geschichte immer deutlichere Fäden vom einen zum anderen. Es ist wie in manchen sozialen Netzwerken, die zeigen dass zwei völlig Fremde doch über die und jene Verbindung verknüpft sind. Und es zeigt, wie klein die Welt in manchen Dingen ist. Wenn z.B. alle Protagonisten die selben Nachrichten im Radio verfolgen. Und doch bleibt auch in dieser global vernetzten Welt die Fremde, z.B. in den Mentalitäten. Die japanische und die westliche, insbesondere amerikanische Denkweise sind sich auch räumlich fern, aber die Ansichten liberaler Juden und orthodoxer Siedler prallen im eigenen Land aufeinander. Diese Verbindungen und Gegensätze verknüpft Hannah Dübgen auf ganz feine, unaufdringliche Weise. So wie auch die ganze Sprache klar, unprätenziös und schön ist. Der Leser kommt ins Nachdenken über Nah und Fern, Fremd und Vertraut, das moderne Leben an sich. Und über Zeit, die auch eine große Rolle spielt. Die verfließen muss, damit der Geschätsmensch Jason sich in seiner Existenz richtig spürt und die tatsächlich verfließt, als die Filmemacherin Judith stirbt. Die Geschichten berühren den Leser und berühren auch sich fast, als alle Protagonisten in Jerusalem das selbe Konzert besuchen. Zum Glück aber in den meisten Fällen nur fast. Das bewahrt den leicht schwebenden Ton, den dieser wunderbare Roman noch lange zurücklässt.