Rezension

Selbstliebe statt Bodyshaming: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

Run For Love -

Run For Love
von Nina Dias

Bewertet mit 4 Sternen

Luca Schmidt ist Mitte dreißig, selbständige Werbefachfrau und das, was man ein Vollblutweib nennt. Groß und üppig wie sie ist, entspricht sie ihrer Ansicht nach nicht dem gängigen Schönheitsideal. Dass ihre Mutter ihr ständig Diäten und Sport aufschwatzen will, macht es nicht besser. Als sie einem Typen, der ihre Freundin Charlotta belästigt, einen auf die Zwölf gibt und angezeigt wird, bekommt sie Sozialstunden aufgebrummt, die sie ausgerechnet in einem Jugendzentrum abarbeiten soll. Ihr dortiger Vorgesetzter entpuppt sich als knackiger Schönling mit kantigem Kinn und Sixpack, der auch noch größer ist als sie. Zu glatt und zu langweilig, befindet Luca, und außerdem überhaupt nicht ihr Typ. Wirklich?

 

Schöne Liebesgeschichte und vor allem die Geschichte einer Frau, die lernt, ihren Körper wahrhaftig zu akzeptieren und nicht nur so zu tun als ob. Tatsächlich nimmt die Liebesgeschichte gar nicht den größten Raum ein, Luca als Protagonistin mit all ihren Stärken und Schwächen und ihre Interaktion mit ihren Mitmenschen stehen ganz klar im Vordergrund. Ihre Arbeit, ihre Freundschaft mit Charlotta, ihr Hadern mit ihrer Figur und ihr Verhältnis zu ihrer Mutter stehen in etwa dem gleichen Verhältnis, und in dem Maße, wie sie lernt, sich von allen Zwängen zu lösen und sich selbst wirklich zu lieben, in dem Maße kann sie sich auch endlich auf Noël einlassen. Luca ist ein interessanter, wenn auch mitunter schwieriger Charakter, sie propagiert die Unabhängigkeit der Frau und den Feminismus, schwört auf Solidarität unter Frauen, steckt aber ebenso wie ihre vermeintlichen Feindbilder alle in ihren Augen hübschen und schlanken Frauen und ebensolchen Männer in eine Schublade. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, stößt sie die Menschen in ihrem Umfeld mehr als einmal ziemlich rüde vor den Kopf.

 

Ihr Kosmos kreist sehr um sich selbst und damit und durch ihre vorgefertigten Meinungen setzt sie ihre Freundschaft zu Charlotta, ihre Zusammenarbeit mit Amelie für die Kampagne und ihre aufkeimenden Gefühle für Noël aufs Spiel. Die Herausarbeitung ihrer Persönlichkeit fand ich nicht immer hundertprozentig überzeugend und mitunter hatte ich Schwierigkeiten, ihre Handlungen und Reaktionen nachzuvollziehen, selbst im Hinblick auf ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Warum man so gänzlich gegen den Ritter auf dem weißen Ross sein muss, erschließt sich mir auch nicht. Meines Erachtens ist es kein Widerspruch und man ist nicht gleich willenlos, wenn man sich von einem Mann helfen lässt. Was ich aber sehr gut fand, war ihre Selbstreflektion und wie sie sich im Laufe der Geschichte von den genormten Idealvorstellungen emanzipiert. Durch ihre Arbeit mit Amelie, die mir mit zunehmender Lektüre immer sympathischer wurde, und auch durch die Jugendarbeit, bei der sie sich als empathische Mädelsversteherin erweist, lernt sie, hinter die Fassaden und Kulissen zu schauen und erkennt, worauf es wirklich ankommt: sich unabhängig zu machen von der Meinung anderer und sich von vorgefertigten Normen und Idealvorstellungen zu lösen.

 

Fazit: Schöne Lektüre, die sich flüssig herunter lesen lässt und einige Stunden gute Unterhaltung bietet. Wer einen Enemy-to-Lovers-Liebesroman erwartet, wird enttäuscht werden, der Fokus liegt meines Erachtens eher auf Lucas Persönlichkeitsentwicklung, die durch verschiedene Ereignisse in der Geschichte angestoßen wird und die im Laufe des Buches dazu führt, dass sie sich für eine Beziehung zu Noël öffnen kann. Dies ist allerdings schön zu lesen und mit Luca mitleben tut man allemal.