Rezension

So faszinierend wie erschreckend

Gun Love - Jennifer Clement

Gun Love
von Jennifer Clement

Bewertet mit 4 Sternen

Wunderschön geschriebenes Buch über den Waffenwahnsinn der USA, das viele Fragen offenlässt

Die poetische Sprache dieses Romans und die beschriebene, allgegenwärtige Gewalt klaffen auseinander wie Arm und Reich in den USA, wie der amerikanische Traum und die Wirklichkeit. In wunderschönen Sätzen und eindringlichen Bildern wird beschrieben, wie Pearl mit ihrer Mutter am Rande eines Trailerparks in einem Auto aufwächst. Die anderen Bewohner dieses Trailerparks verdeutlichen dabei eklatant die Schwächen des US-amerikanischen Sozialsystems – sei es die ehemalige Biologielehrerin, die aufgrund der Arztrechnungen ihres verstorbenen Mannes verarmt ist, der seelisch wie körperlich schwer mitgenommene Veteran, oder der heuchlerische Priester, der Drive-in Gebete und Geld für Waffen anbietet.

Überhaupt, Waffen sind das Thema dieses Romans. Vom Waffenhandel bis zur Pistole unter dem Kopfkissen, dem nahezu ziellosen Schießen auf Tiere, Menschen und Gegenstände zum Waffenausmalbuch für Kinder – der Waffenwahnsinn in den USA wird mehr als verdeutlicht. Manchmal gerät das etwas plakativ; vielleicht liegt das aber auch daran, dass zumindest der europäischen Leser ohnehin schon der Meinung ist, dass es weit strengere Waffengesetze bräuchte. Überzeugend ist der Roman dort, wo er in wenigen Zeilen ganze Biografien schildert, von Menschen, die zum Opfer irgendeines Unglücks oder blöden Zufalls werden, und die dann nicht aufgefangen werden.

Das Erzähltempo ist ziemlich rasant; ich hätte mir an einigen Stellen gewünscht, noch etwas zu verweilen. Der Geschichte wegen, aber auch, weil so für mich die Motive der Charaktere teils im Dunkeln blieben. Gleichzeitig kann man dadurch das Buch kaum aus der Hand legen. Was mir auch nicht so gut gefallen hat, ist, dass am Ende genau die Logik zählt, die das Ganze zu einem so schwer zu durchbrechenden Kreislauf macht: Wenn die Anderen bewaffnet sind, brauche ich eine Waffe, um mich zu verteidigen. Vielleicht geht es der Autorin hier auch darum, dass der Einzelne diesem Irrsinn wenig entgegenzusetzen hat und vielmehr Antworten auf Systemebene gefragt sind. Wie das gehen könnte, und wie es eigentlich zu der aktuellen Situation kommen konnte, sind Fragen, die der Roman leider nicht weiterverfolgt. Was er bietet, ist eine scharfe, grelle Bestandsaufnahme, eine faszinierende Geschichte und Sätze, die schimmern wie Perlen.