Rezension

sommerlich-leichte Liebesgeschichte mit auch ernsten Themen

Kaputte Herzen kann man kleben -

Kaputte Herzen kann man kleben
von Kristina Günak

Bewertet mit 4.5 Sternen

Luisa ist alleinerziehend und voll berufstätig. Für sie ist es oft schwierig alles unter einen Hut zu bekommen und dabei noch das Gefühl zu haben, allem und jedem Gerecht zu werden. Als ihr Körper die Notbremse zieht, ist sie gezwungen, sich eine Auszeit zu nehmen, sich zu regenerieren und dann hoffentlich mit neuer Kraft wieder einsteigen zu können. Gemeinsam mit ihrer Tochter Amelie fährt sie zu ihrer Tante Mimi nach St. Peter-Ording um dort den Sommer zu verbringen. Schon die frische Nordseeluft tut der abgespannten Hebamme unglaublich gut, doch das ist noch längst nicht alles, was der Trip in den Norden für sie bereit hält.

Protagonistin Luisa nimmt den Leser aus der Ich-Perspektive mit. So ist man sehr intensiv mit der 45jährigen unterwegs und erhält detaillierte Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt, in denen sich im Verlauf der Geschichte so einiges tut. Ich fand es schön, die Entwicklung von Luisa mit zu verfolgen und zu erleben, wie sich Stück für Stück etwas in ihrem Kopf ändert, wie sie sich frei macht von einigen Zwängen der Gesellschaft und selbstauferlegten Pflichten, die gar nicht immer in der Form nötig sind. Dabei hilft ihr die neue Umgebung und die vielen tollen Menschen, die sie in St. Peter-Ording kennenlernt. All die Personen, die dazu kommen, lassen ein sehr buntes und abwechslungsreiches Figurenbild entstehen und es wird wahrlich niemals langweilig. Die Charaktere können sowohl Spaß miteinander haben, als auch über ernste Themen sprechen und sich gegenseitig auffangen. Manchmal mag man den Eindruck haben, die Fülle an „schrägen“ Charakteren ist recht groß, aber eigentlich sind sie alle nur mitten aus dem Leben gegriffen und man kann sich gut vorstellen, dass Luisa tatsächlich auf so eine aufgeweckte, lebhafte Truppe trifft, die sich genau deswegen gefunden hat und so gut versteht, weil sie zu einem gewissen Teil ähnlich Sorgen haben oder hatten und sich als Gemeinschaft sehen, die füreinander da sein und sich unterstützen wollen, damit die Probleme ein bisschen weniger schwer auf ihnen lasten. Auch wenn Luisa im Mittelpunkt der Handlung steht, erfährt man auch von den anderen, was sie umtreibt, mit was für Hürden sie zu kämpfen haben und wie sie versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen, ohne vollständig dabei auszubrennen. Dabei ist es okay, Fehler zu machen und es wieder zu versuchen, eine Einstellung, die ich sehr mochte.
Auch Luisas Tochter Amelie (8) mochte ich richtig gern. Man kann im Buch miterleben, wie sie aufblüht und selbstständiger wird, sich den Herausforderungen und Aufgaben auf dem Hof ihrer Großtante stellt und sichtlich Spaß dabei hat. Die ländlich geprägte Umgebung ist eben auch so ganz anders als die Großstadt München, in der sie aufwächst.
Schön fand ich auch, dass nicht immer alles war, wie es zunächst wirkte. Viele der Charaktere hatten noch mehr zu „bieten“ als man auf den ersten Blick sieht. Geheimnisse, Päckchen, die sie zu tragen haben, verletztes Vertrauen, Trauer, Wut und Frust spielen unter anderem eine Rolle. So fließen wie nebenbei ganz verschiedene Themen in die Handlung mit ein und waren, für mein Empfinden, gut in die Geschehnisse eingeflochten und zeigen, wie vielfältig das Leben ist. Es werden nicht nur die Sonnenscheinseiten betrachtet und wirkt damit einfach authentisch. Liebe, Freundschaft und Familie werden in unterschiedlicher Weise thematisiert, ebenso verschiedene Krankheiten, finanzielle Probleme, Homosexualität, Verantwortung, Erziehung und auch Dinge, die speziell und nur Luisa betreffen, wie ihren Job als Hebamme und ihre allgemeine Situation.

Der Schreibstil von Kristina Günak hat mir wieder gut gefallen. Sie hat eine tolle Art zu schreiben und einen mit durch die Geschichte zu nehmen. Das Buch hat sich sehr zügig und flüssig lesen lassen und trotz der vielen ernsten Themen, die in der Handlung enthalten waren und die Stimmung dadurch auch mal gedrückt haben, wurde eine gewisse Leichtigkeit erhalten. Die tollen Beschreibungen der Umgebung haben ein schönes Bild in meinem Kopf entstehen lassen. Das Meer ist einfach ein toller Ort, an dem man gut die Seele baumeln und ebenso gut nachdenken und sich irgendwie erden kann.
Bis auf ganz kleine Kritikpunkte mochte ich die Entwicklung in der Handlung richtig gern. Es wirkte stimmig und passte auch zu den Charakteren, ihren Vorstellungen und Wünschen, aber auch zu ihren Schwierigkeiten. Es gab zahlreiche wundervolle Augenblicke und auch Aspekte und Gespräche, die einen zum Nachdenken bringen oder in denen man sich evtl. selbst wiederfinden kann.
Zum Ende hin ging es mir dann allerdings fast etwas schnell. Da hätte ich gern noch mehr Einblicke gehabt und etwas intensiver erfahren, wie es für Luisa und die anderen weiterging, welche Steine sie noch aus dem Weg räumen mussten und so weiter. So wirkte es unproblematischer und beschleunigter, als es höchstwahrscheinlich gewesen sein wird. Trotzdem hat mich der Abschluss des Buches zufriedengestellt, auch wenn sich ein Großteil des Weges im Verlauf abgezeichnet hat.

Fazit

Eine wirklich schöne Geschichte, die sich sehr schnell hat lesen lassen. Mir hat die die Kombination aus der Ernsthaftigkeit und dem sommerlichen Feeling gut gefallen. Die Entwicklungen sind nicht alle überraschend, aber das ist es in Liebesgeschichten ja auch eher selten, trotzdem mochte ich den Weg zum Ziel sehr gern. Es gab einige Stolpersteine, aber auch viele tolle Momente, in denen Zusammenhalt, Freundschaft und Liebe es für die Charaktere erträglicher und hoffnungsvoller gemacht hat.