Rezension

Spannende Fortsetzung

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Lachen der Kinder -

Die Hafenärztin. Ein Leben für das Lachen der Kinder
von Henrike Engel

Bewertet mit 5 Sternen

„...Die Frau, bei der es sich mit Sicherheit um die Mutter des Kranken, ein vierzehnjähriger Junge, handelte, schüttelte verängstigt den Kopf. Aber Anne ließ sich nicht davon abhalten, nahm den Jungen bei den Armen und drehte ihn zu sich...“

 

Wenige Stunden später ist der Junge tot. War es eine natürliche Ursache, wie Anne zuerst annahm? Wir schreiben das Jahr 1911. Die Angst vor einem erneuten Ausbruch der Cholera ist allgegenwärtig. Doch als Anne erfährt, dass auch der Hund, der vom Erbrochenen des Jungen gefressen hatte, verstorben ist, kommt ihr in anderer Verdacht.

Die Autorin hat eine fesselnde Fortsetzung der Reihe geschrieben. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Der Schriftstil sorgt für einen angenehmen Lesefluss. Im Mittelpunkt steht dieses Mal Veddel. Auf diesem Hamburger Gebiet sind die Ausreisewilligen untergebracht. Hier warten sie auf ihre Schiffspassage in die Neue Welt. Da der zuständige Arzt Urlaub hat, wurde Anne beauftragt, sich um die Bewohner zu kümmern.

Als sie den Verdacht äußert, dass der Junge vergiftet wurde, glaubt ihr keiner. Als Ärztin wurde sie sowieso von vielen schon scheel angesehen. Helene, die Pastorentochter, die auf den Veddel ihr Praktikum als Lehrerin absolviert, hat eine Idee, in welchen Lebensmitteln das Gift stecken könnte.

Die Personen werden sehr gut beschrieben. Für Helene liest sich das so:

 

„...Helenes jungenhaftes Äußeres jedoch entsprach ihrer inneren Verfasstheit. Von früh auf war sie wild, abenteuerlustig und bockig gewesen...“

 

Währenddessen hat Kommissar Berthold Rheydt ein ganz anderes Problem. Marchleswsky wurde ermordet. Er gehörte zu den Kiezgrößen. Junge jüdische osteuropäische Frauen hat er nach Hamburg gelockt, um sie dann zur Prostitution zu zwingen. Einiges spricht dafür, dass in deren Reihen seine Mörderin zu suchen ist.

Die Autorin zeichnet ein gutes Zeitgemälde. Vor allem die dunklen Seiten der Hafenstadt stehen im Mittelpunkt. Außerdem wollen immer mehr Frauen ihr Leben in die eigene Hand nehmen. Dazu gehen sie wie selbstverständlich auf die Straße. Helenes Worte gegenüber Dr. Tergit bringen das zum Ausdruck.

 

„...Die Ehe ist ein Grab für eine Frau mit Geist. Ich ziehe es vor, mein eigenes Geld zu verdienen und über mein Leben selbst zu bestimmen...“

 

In diesem Band werden einige offen Fragen geklärt. Ich als Leserin erfahre zum einen, warum Anne London so überstürzt verlassen musste, zum anderen, warum ihre Eltern überhaupt in London leben.

Das Buch verfügt über einen hohen Spannungsbogen. Der ergibt sich aus den komplexen Beziehungen der Protagonisten untereinander. Das führt auch zu kritischen Situationen. Rache ist ein schlechter Ratgeber. Ein gutes Angebot kann sich als lebensgefährlich herausstellen.

In der vorderen Umschlagseite werden die drei Hauptpersonen kurz charakterisiert.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es hat sehr viele verschiedene Facetten, die es lesenswert machen.