Rezension

Spannender Fall vor einem bisher kaum bekannten historischen Hintergrund

Nordlicht - Die Spur des Mörders - Anette Hinrichs

Nordlicht - Die Spur des Mörders
von Anette Hinrichs

Bewertet mit 5 Sternen

Der Idstedt-Löwe in Flensburg war und ist Symbol deutsch-dänischer Geschichte. Als am Fuß des Denkmals ein übel misshandelter Toter gefunden wird, tritt für den Fall die deutsch-dänische Sonderkommission mit Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg zusammen. Der dänische Kollege Rasmus aus Aarhus wird sogar mitten aus einer Pflichtveranstaltung zur beruflichen Wiedereingliederung abberufen. Vibeke Boisen von der Mordkommission Flensburg muss nun die Zügel gleich auf zwei Ebenen anziehen. Sie kennt Rasmus Hang zu Gewalt und beruflichen Alleingängen und durch ihre Abwesenheit liefert sie ausgerechnet ihrem bestgehassten Kollegen Holtkötter die Gelegenheit, sich als ihr Stellvertreter auf dem Chefsessel der Mordkommission breitzumachen.

Der tote Karl Bentien ist pensionierter Lehrer und vermutlich Angehöriger der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, der sein Leben der Erforschung des Flüchtlingslagers Oksbøl gewidmet hat. In Oksbøl waren in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu 35 000 Flüchtlinge untergebracht, meist Frauen und Kinder, die in den letzten Kriegstagen auf Schiffen über die Ostsee flüchten konnten. Der Kollege Jens kann seine Kollegen - wie üblich aus dem Stand – in das historische Thema einführen. Da Bentiens Laptop nicht zu finden ist, liegt es nahe, dass sein Mörder die Recherchen zu dem verdrängten Thema unterbinden wollte. Evtl. profitieren ja auch mehrere Personen von Bentiens Tod. Die Ermittlungen führen Boisen und Nyborg in Karl Bentiens Familiengeschichte und zum Bauernhof, auf dem er als Adoptivkind lebte. Beide Ermittler trifft die Geschichte des Flüchtlingslagers und der unvorstellbaren Zahl an dort verstorbenen Kleinkindern unerwartet. Nyborg hat den Tod seines Sohns nicht verwunden, an dem er sich schuldig fühlt, und Vibeke Boisen sieht sich damit konfrontiert, dass sie ihr Schicksal als Adoptivkind offenbar noch längst nicht verarbeitet hat.

Unter freundschaftlichem Lästern und motiviert von einer Tüte Zimtschnecken hat die grenzübergreifende Sonderkommission mit einem Fall zu tun, der auf politischer Ebene aktuell unliebsamen Staub aufwirbeln könnte. Die persönliche und berufliche Situation der Ermittler wird kurz skizziert, so dass man problemlos mit diesem Band in die geplante Serie einsteigen kann. In Rückblenden über einen Zeitraum von fast 70 Jahren entsteht das Schicksal des Mordopfers und dessen Verbindung zum Lager Oksbøl, das erst 2005 durch Kirsten Lylloffs Dissertation wieder ins Bewusstsein gelangte. Anette Hinrichs verbindet bisher kaum beachtete historische Ereignisse, den aktuellen Fall der deutsch-dänischen Kommission und das Privatleben der Ermittler ausgewogen und sehr spannend miteinander. Ich habe den Roman in zwei Tagen weggesuchtet.