Rezension

Sturm im Wasserglas

Die Frau von Shearwater Island - Magali Robathan

Die Frau von Shearwater Island
von Magali Robathan

Bewertet mit 2 Sternen

Ja, ich gebe es zu: Ich habe mir so manches Mal einen Sturm gewünscht, einen so heftigen Sturm, wie er im Buch beschrieben wird, einen Sturm, der mir dieses Buch aus den Händen reißt und mich davon erlöst. Nun war es zwar so, dass wir schlechtes Wetter hatten, aber zu einem Sturm hat es leider nicht gereicht - zumal sich so ein Sturm auch eher selten in einem Haus aufhält. Ich musste also da durch und ich lasse euch an meiner Verzweiflung teilhaben.

Zuerst möchte ich Alice vorstellen. Sie ist die Hauptperson in diesem ... Drama. 36 Jahre, lebt im Haus ihrer verstorbenen Eltern auf Shearwater Island, einer kleinen, abgeschnittenen Insel vor der englischen Küste. Hier leben nur wenige Menschen außer Alice, eine kleine Gemeinschaft hart arbeitender Leute. Geld ist immer knapp auf Shearwater, denn sie leben alle mehr oder weniger von Landwirtschaft und Tourismus - und Touristen kommen eher spärlich und auch nur in den Sommermonaten. Von daher beschließen die Insulaner, der Bitte eines bekannten Schriftstellers nachzugeben und ihn für eine erkleckliche Summe bei Alice leben zu lassen.

Damit kommen wir zu einer weiteren wichtigen Person: Patrick Fox. Er hat einen Weltbestseller geschrieben und sich Shearwater ausgesucht, um hier in Ruhe und Einsamkeit ein weiteres Buch zu schreiben. Als er auf die Insel kommt, verändert sich die Dynamik zwischen den Bewohnern, denn die eingeschworene Gemeinschaft ist so eingeschworen nicht. Da gibt es bösartigen Streit zwischen Cousin und Cousine, der soweit geht, dass sie sich gegenseitig ruinieren, ein ungeklärtes Ereignis um den Tod zweier Insulaner vor mehr als zwanzig Jahren und viel Getratsche.

Patrick wird als extrem gut aussehender Mann eingeführt, der leicht Kontakt zu anderen bekommt. Andere in dem Fall wie "weibliche" andere. Die Männer mögen ihn meist schon beim Anblick nicht. Er redet mit Alice, lässt sich bekochen und siehe da, die Frau von der Insel wird glücklich. Endlich hat ihr Leben einen Sinn, denn sie hat einen Mann im Haus. Sie verliebt sich in ihn und dann ist er so gemein, sie zu hintergehen ...

Bevor ich mich den negativen Seiten dieses Buches widme, möchte ich natürlich auch das Positive erwähnen: den Sturm. Der war toll. Ich habe ihn gemocht. Vielleicht hoffte ich auch ein bisschen, dass er Alices Häuschen packt und sie hinter einen Spiegel oder wenigstens in das Loch eines weißen Kaninchens verfrachtet, denn da wäre sie gut aufgehoben gewesen. Den Gefallen erwies er mir nicht, aber trotzdem, der Sturm war mein persönlicher Lichtblick in diesem Buch.

Ansonsten ... ja, dieses Buch hat mich geärgert. Allein die Hauptperson, Alice, mit ihrer ach-so-tragischen Vergangenheit. Sie wird permanent als intelligent beschrieben, aber sie blieb jeglichen Beweis dieser Intelligenz schuldig. Nichts dagegen, wenn man sich in einen Mann verliebt. Das könnte man verstehen und gut finden. Zumindest, wenn der Mann in irgendeiner Form als sympathisch beschrieben wird. Aber wenn geradezu in neonfarbener Leuchtreklame über dem Kopf eines Protagonisten blinkend tanzt "Ich benutze dich!", dann kann man nur den Kopf schütteln. Da werden jeden Abend 2 Flaschen Wein gesoffen (findet das noch wer außer mir abtörnend und unromantisch?), da kümmert sich der Mann nur um Alice, wenn sie ihm Klatsch und Tratsch und die am tiefsten vergrabenen Geheimnisse ihrer Freunde, Bekannten und sich selbst erzählt. Geradezu begierig wirft sich ihm Alice an den Hals, verrät sie ihre Mitinsulaner, um die Aufmerksamkeit dieses Mannes zu erringen. Und dann jammert sie hinterher herum, weil er mit ihr dasselbe tut, was sie mit ihren Freunden macht?

Nicht genug damit, dreht sie am Rad, wenn ihr ältester Freund Quinn ihr etwas vorenthält, wird hysterisch, weil er ihr etwas nicht erzählt hat. Wirft ihm Verrat und Lügen vor, obwohl sie selbst die Einzige ist, die alles verraten und er sie niemals angelogen hat. Gott, ich kann gar nicht in Worte fassen, wie erbärmlich ich diese Frau empfand. Nicht zu vergessen ihre Verwunderung, als plötzlich ihre Regel ausbleibt: Huch? Ich habe doch höchstens zwanzig Mal ungeschützt mit einem Mann geschlafen, wie kann ich da schwanger werden?

Und die "Geheimnisse" dieser Insel. Es war alles so plump aufgezogen, so dick aufgetragen, in jeder Form zu viel und zu wenig. Muss ich erwähnen, dass der Schluss extrem kitschig und Friede-Freude-Eierkuchen ist? Ach, nein, ich erwähne es mal nicht.

Fazit: Ein aufgeblasenes Drama, das im Format eines Cora-Bahnhofheftes besser aufgehoben gewesen wäre.