Rezension

Toll recherchierter historischer Roman

Der Henker von Lemgo - Bettina Szrama

Der Henker von Lemgo
von Bettina Szrama

Bewertet mit 5 Sternen

Bettina Szramas 'Der Henker von Lemgo' ist ein erschütterndes Buch, das man nicht so schnell vergessen kann. Die Hexenprozesse und ihre Unabwendbarkeit für die Betroffenen ist uns allen bekannt. Dabei gab es einmal die Hexen, die wirklich Übersinnliches gesehen hatten, oder dachten, sie könnten fliegen, weil sie bewusstseinsverändernde Mittel genommen hatten (heute: Drogen). Da man noch nicht genau Bescheid wusste über solche Mittel, dachten diese wirklich, sie hätten übersinnliche Kräfte. So kamen auch viele unserer noch heute stehenden Hexenbilder auf.
Die anderen aber wurden verurteilt, weil es so einfach und praktisch war, sich dieser Menschen zu entledigen. Einmal denunziert, gab es kein Zurück. Dabei konnten schon kleinste Indizien auf Hexerei hinweisen, oder man wollte sich einer unliebsamen Person entledigen.
Für den Hexenverfolger Hermann Cothmann ist Maria so ein unliebsames Geschöpf, da sie seine Liebe nicht erwidert. Maria, die 'Hexe' des Ortes, hat es zwar schwer, einen Ehemann zu finden - eigentlich liebt sie den Henker von Lemgo - aber sie zieht doch einen Ortsfremden dem Bürgermeister vor - ihr Todesurteil. Was letztendlich mit Maria geschieht, soll hier aber nicht erörtert werden.Bettina Szrama hat für ihren historischen Roman super Recherchearbeit geleistet und die Tatsache, dass ihre Erzählung auf wahren Begebenheiten beruht, macht das Ganze für mich noch schockierender. Sie verschweigt in ihrem Roman die Brutalität der damaligen Folter und Hinrichtungspraktiken nicht und ich war beim Lesen mehr als geschockt über Zangenfolter oder Maulsperre samt Einflößen von Pferdeurin, Grausamkeiten und Schmerzen, die man sich gar nicht vorstellen kann. Ihr gelingt es auch auf großartige Weise die Zeit von damals einzufangen. Dazu gehören Dinge wie Perücken für offizielle Anlässe, die furchtbar jucken, wenn man keine Glatze hat, Fischbeinkorsetts, die die überflüssigen Pfunde in Form bringen oder die roten Mützen für die „gemeinen Weiber“ ebenso wie schlammige und aufgeweichte Straßen nach Regenfällen, Gestank, Maden und Ratten. Mehr als deutlich wird auch wie wenig damals ein Mensch wert war, eine Magd wurde schon mal geopfert, wenn es um den Ruf geht. Die Willkür der Hexenprozesse ist allgegenwärtig. Super interessant fand ich auch Darstellungen von Krankenbehandlungen, Geburten, Hundstagen oder anderen Gepflogenheiten der Zeit.