Rezension

Tolle Sprache aber schwächelnder Schluss

Leinsee
von Anne Reinecke

Bewertet mit 3.5 Sternen

Diverse Künstler, schwierige Familienverhältnisse und ein kleines Mädchen, das jemanden mit „Unbekümmertheit zurück ins Leben lockt“. Damit hatte mich der Klappentext. Und ich muss auch sagen, dass sich Leinsee – wenn auch etwas kurios – sehr gut anlas.

Ich war gleich „drin“ in der Geschichte und ich muss sagen, dass ich Reineckes Sprache durchweg klasse fand. Alles liest sich wirklich locker und leicht. Der Ton ist mal flapsig, mal poetisch. Einmal unendlich traurig und dann wieder gespickt mit trockenem Humor. Auch die Details sind Reinecke großartig gelungen. Die Hauptfiguren Tanja und Karl verstehen sich großteils ohne Worte – und das kommt rüber. Wie sie sich bemerken, suchen, über die gleichen Kleinigkeiten freuen oder einfach froh sind, den anderen in der Nähe zu wissen. Das ist schön. Besonders gut ist das hier getroffen:

Seit Karl bemerkt hatte, dass Tanja ihn beobachtete, fiel ihm alles, was er machte, leichter. Es fiel ihm leichter, überhaupt irgendetwas zu tun, wenn die Möglichkeit bestand, dass sie ihm zusah. Ihr Blick hielt seine Konturen stabil. S. 130

Auch den Hauptcharakter Karl habe ich ins Herz geschlossen. Ein bisschen wild, ein bisschen kindisch, kreativ, gutmütig und etwas unentschlossen. Ihm ein paar Jahre seines Lebens durch Berlin und Leinsee zu folgen hat mir Spaß gemacht.

Was mir missfallen hat an dem Buch war, dass Reinecke irgendwann für mein Empfinden ihre ursprüngliche Idee aus den Augen verloren hat. Einige der Dinge – und auch Charaktere –, die am Anfang wichtig erschienen, wurden nicht konsequent weiterverfolgt und zugunsten einer anderen Idee aufgegeben. Dazu kam dann noch, dass ich diese „andere Idee“ nicht mochte. Auch wenn es bis dahin eine schöne Geschichte war; auf den letzten 60 Seiten ging es leider auf Talfahrt.

Alles in allem ist Leinsee eine wundervoll geschriebene Geschichte voller Herz, die das Niveau vom Anfang leider nicht bis zum Schluss halten kann. Trotzdem kurios, traurig, schön, speziell, lustig und detailverliebt. Für Reineckes kommende Romane erwarte ich mir eine stimmigere Handlung ohne lose Fäden, aber reinlesen werde ich wohl auf alle Fälle. Allein wegen Sätzen wie diesem:

...rechts stapelten sich die Weinberge, hier und da saß eine Burg dazwischen wie eine brütende Henne, und links dehnte sich eine Ebene aus aneinandergenähten Feldern, darüber Strommasten und dann der Himmel. S. 335

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. März 2018 um 21:21

Ah, das mag ich auch: es gibt AutorInnen, die einem Hoffnung geben, dass die deutsche Sprache doch noch nicht verloren ist. Aber eine straffe Handlung, bzw. eine Handlung nicht zerfasern zu lassen, braucht man auch. Vllt der nächste Roman ...

katzenminze kommentierte am 18. März 2018 um 12:25

Ja, hoffen wir mal. :)