Rezension

Traumata, Morde und Angriffe auf die Weimarer Republik

Engel des Todes -

Engel des Todes
von Thomas Ziebula

Bewertet mit 4.5 Sternen

1920. Ein schwer traumatisierter Ex-Soldat verübt Rache an seinen vermeintlichen Peinigern, die er gnadenlos jagt und brutal erwürgt. Kriminalinspektor Stainer ermittelt unter erschwerten Bedingungen, denn die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Leipzig nehmen seine Kollegen und ihn in Beschlag ....

Mit "Engel des Todes" legt Thomas Ziebula seinen dritten historischen Krimi um den charismatischen Kriegsveteran Paul Stainer vor, der nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg einen Neuanfang in der "Wächterburg" Leipzigs als Kriminalinspektor wagt.

Nicht nur, weil ich die beiden vorhergehenden Bände nicht kannte, hatte ich anfangs ein wenig Mühe, in die Handlung hineinzufinden und die Anspielungen auf Vorhergehendes einzuordnen. Doch es hat sich auf jeden Fall gelohnt, dranzubleiben und sich auf diese überaus lebendig erzählte Deutsche Geschichte einzulassen.

Überaus ergreifend schildert Thomas Ziebula die Stimmung in der frisch entstandenen Weimarer Republik, in der der Spartakusbund den proletarisch-internationalen Klassenkampf vorantrieb, während Angehörige der Reichswehr und ihr nahestehende Organisationen durch den Kapp-Putsch die junge Republik angriffen. MIsstrauen zwischen den Bürgern, Proteste und Aufmärsche bis hin zu scharfen Schüssen auf Demonstrierende und nicht selten Verletzte und Tote bestimmten das Straßenbild - und ich bin beeindruckt, wie es dem Autor gelingt, die komplizierten Verhältnisse nachvollziehbar zu schildern, die Düsternis und sogar Melancholie der Zeit zu transportieren und den Leser tief hineinzuziehen in das Geschehen. So manches Mal musste ich bestürzt nach Luft schnappen, zum Beispiel als die unschuldige Tochter eines Kollegen auf offener Straße angeschossen wird oder MIlitärs ohne Befehl auf Arbeiter schossen. Selten habe ich die Deutsche Geschichte so intensiv nacherleben können.

Ein wenig erinnerten mich die Geschehnisse an die so populäre Verfilmung Kutschers "Babylon Berlin", nur dass es hier um das ebenso betroffene Leipzig zu Republikzeiten geht; und ich muss sagen, dass Ziebulas Stainer seinem durch die Verfilmung populären Vorläufer in keinster Weise nachsteht.

Der eigentliche Kriminalfall, die Mordserie an Militärs, tritt hinter das Zeitgeschehen ein wenig zurück; nicht zuletzt, weil dem Leser der traumatisierte Mörder und seine Gedanken von Anfang an vertraut sind und es teilweise schon nicht mehr so wichtig scheint, ob und wie Stainer diesem auf die Schliche kommt.

Nach dem - wie gesagt - etwas schwierigen Einstieg entwickelte die Geschichte einen starken Sog und wies ihre ganz eigene Spannung auf, die sich in einer schönen Kurve von Anfang bis Ende durchzog und einen befriedigenden Abschluss fand.

Die Figuren sind authentisch und mehrdimensional entwickelt und man nimmt jeder einzelnen seine Facetten ab. MIr gefiel dabei auch sehr, wie deutlich die Kriegserlebnisse, Traumata und das Erlebte Einfluss auf die Protagonisten haben, ihre Seele beschädigten und ihre Handlungen bestimmten, so dass der Krieg auch noch mal zu einem anderen Bewusstsein beim Leser kommt sowie die Ecken und Kanten der Handelnden gut nachvollziehbar sind.

Der gute, flüssige Schreibstil rundete das Leseerlebnis ab.

Wer sich auf das zugegebenermaßen nicht ganz leichte Thema und die Anfangshürde einlässt, findet in "Engel des Todes" ein hervorragendes Buch über ein wichtiges Stück Deutsche Geschichte, unterhaltsam aufbereitet als Kriminalfall von einem Autor, dessen Name man sich merken sollte!
Ich vergebe 4,5 Sterne.