Rezension

Uralttradition trifft auf Influencer

Kreizkruzefix - Monika Pfundmeier

Kreizkruzefix
von Monika Pfundmeier

Bewertet mit 4 Sternen

»Herrschaft, Theres, jetzt hör halt auf. Wir sind in Oberammergau. Du glaubst doch nicht, hier setzt auch nur einer sich gezielt damit auseinander.«

Oberammergau im Mai 2020. In der kleinen Gemeinde in Oberbayern bereitet man sich auf den Start der Passionsspiele vor. Eine höchst traditionelle Angelegenheit, wie ohnehin fast alles dort. Nicht wenige der Einwohner stehen neuen Dingen skeptisch gegenüber, was auch Theres Hack zu spüren bekommt. Die Metzgerin und Jägerin hat ein paar Jahre in Wien verbracht und versucht nun, den drohenden Bankrott der väterlichen Traditionsmetzgerei abzuwenden, indem sie (für viele im Ort zu radikal) auf einen modernen Betrieb mit Schwerpunkt auf Bio und Nachhaltigkeit umstellt. Auch die Eheleute Thaller, die soeben grausam ermordet aufgefunden wurden, waren mal Landwirte und stellten (ebenfalls kurz vorm Bankrott) ihren Betrieb auf „hippe“ Ginproduktion um.

 

Theres, die neben dem Schlachten und Jagen auch noch gerne ermittelt, fordert von den Kommissaren vor Ort, sich bei ihrer Arbeit auf neumodisches Terrain zu begeben. Die Opfer planten eine Online-Kampagne, eine Influencerin läuft durch den Ort – da prallen im wahrsten Sinn des Wortes Welten aufeinander.

 

Diese Gegensätze ziehen sich dann auch durch das ganze Buch. Immer wieder geht es um Traditionen und Veränderungen, um die Frage, was man bereit ist, für seine Pläne zu tun und wie viel Toleranz man Menschen gegenüber aufbringt, die in irgendeiner Art „anders“ sind. Ist die Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen zu stellen, vorhanden oder wird die Notwendigkeit verneint? Für mich sind das interessante und wichtige Fragen und ich fand sie im Buch gut herausgearbeitet.

 

Daneben gibt es natürlich noch die Krimihandlung. Der Start ins Buch gefiel mir leider nicht, ich fand da Theres Handeln viel zu überzogen und unglaubwürdig. Sicher, man sollte gleich merken, was für eine starke Frau sie ist, aber weniger hätte ich hier als mehr empfunden. Zum Glück war damit aber recht schnell Schluss und ab ca. Seite 25 konnte ich das Buch genießen. Da gab es zwischendurch Kapitel aus Täterperspektive und gekonnt wurden falsche Fährten ausgelegt. Zum Ende hin kam noch mal Spannung auf und alles wurde schlüssig aufgelöst.

 

Neben Theres (mit der ich mich immer mehr anfreundete) gibt es weitere interessante Charaktere. Natürlich die Kommissare, aber auch Theres Vater, einen äußerst traditionsbewussten Menschen, der seine Tochter zwar liebt, sich mit ihrem Lebensstil aber mehr als schwertut. Oder den Dorfpfarrer, eine sympathische, weil sehr menschliche Person. Und schließlich eine junge Influencerin aus Hamburg, die in der Gemeinde auffällt wie der berühmte bunte Hund.

 

Das Buch hat in der aktuellen Situation noch eine zusätzliche Brisanz. Werden die Passionsspiele 2020 stattfinden? Das kann derzeit niemand sicher beantworten. Aufgrund eines Schwurs im Pestjahr 1633 wurden sie seitdem alle zehn Jahre aufgeführt, jeweils unter breiter Mitwirkung der Einwohner. Zu den letzten im Jahr 2010 kamen über eine halbe Millionen Besucher aus aller Welt.

 

Fazit: Uralttradition trifft auf Influencer. Dieser Krimi war spannend und unterhaltsam zugleich.

 

»Das war so klar! … Ganz ehrlich: Wieso kannst du nicht – wenigstens einmal wie jeder andere auch – nix Hirnrissiges machen?«