Rezension

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Verstörend, ergreifend, faszinierend - außergewöhnlich:Lesehighlight 2015!!

Die dunklen Mauern von Willard State - Ellen Marie Wiseman

Die dunklen Mauern von Willard State
von Ellen Marie Wiseman

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser (für mich sehr außergewöhnliche) Roman ist als TB im Piper Verlag, November 2015, erschienen. Der Titel der Originalausgabe lautet "What she left behind" (Kensington, 2014); wobei man unter "what they left behind" zahlreiche weitere reale Dokus und Informationen im Internet zum Thema Nervenheilanstalten im vorigen Jhd. findet, die diesem Roman einen sehr realen Hintergrund gibt.... Das Cover ziert das Hauptgebäude von Willard State (Staat N.Y.); die Umzäunung steht symbolisch für die Situation, in der sich die insgesamt 54.000 Insassen bzw. "Patienten" (von 1869-1995) in Wahrheit befanden....

Inhalt:

Willard, 1995. Zehn Jahre ist es her, dass eine schicksalhafte Nacht für Izzy Stone alles veränderte. Seitdem lebt die 17-Jährige bei wechselnden Pflegefamilien, die Wunden ihrer Vergangenheit sitzen tief. Izzys Pflegemutter bittet sie, bei der Katalogisierung von Koffern und deren Inhalten aus einer leerstehenden psychiatrischen Anstalt zu helfen. Dabei stößt Izzy auf das Tagebuch einer gewissen Clara Cartwright.
New York, 1929. Die 18-jährige Clara Cartwright wurde einem Sprössling aus gutem Hause versprochen. Als sie sich weigert, die arrangierte Ehe einzugehen, schickt ihr Vater sie in ein Heim für Nervenleidende - und ein Albtraum nimmt seinen Lauf.
Claras Geschichte holt Izzy mehr und mehr in ihre eigene Vergangenheit zurück, und je mehr sie über Claras Leben in Erfahrung bringt, desto mehr klären sich auch die Rätsel ihres eigenen Lebens.....(Quelle: Klappentext)

Meine Meinung:

Die einzelnen Kapitel dieses unglaublich brillant und mit Authentizität sowie großer emotionaler Tiefe  geschriebenen Romans von Ellen Marie Wiseman wechseln sich immer wieder in den beiden Handlungssträngen ab und auf für mich äußerst spannende, flüssig und teils poetisch beschriebene Weise, die von einer excellenten atmosphärischen Dichte begleitet wird, wird der Leser in die Lebenswege und das Schicksal von Clara (in den 1930er Jahren) und Izzy (ab 1995) , die miteinander kunstvoll verwoben sind, literarisch entführt: Die Charaktere, deren Gedanken und ihre Gefühlswelt sind von großer Sensibilität gezeichnet; besitzen Intelligenz und persönliche Stärke, die sowohl auf Clara als auch auf Izzy zutreffen. Während Clara ihr Schicksal, vom eigenen Vater zuerst nach Long Island und später nach Willard State (Asylum for Insane) als völlig gesunde junge Frau eingewiesen wird, nicht mehr verändern kann, hat Izzy durch das Auffinden des Tagebuchs von Clara und der Schließung von Willard (im Jahre 1995!) die Chance, ihre Beziehung zu ihrer Mutter, die im Gefängnis sitzt, zu überdenken und die Motive für deren Handeln herauszufinden, sich damit ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen...
Die beiden Hauptprotagonistinnen wie auch die Nebenfiguren sind sehr authentisch beschrieben, der Roman ist durchsetzt von großer Spannung und gleichermaßen einer ungewöhnlich starken Gefühlstiefe: Der Leser erhält einen Einblick in die teils inhumanen und grausamen früheren "Heilmethoden" in Nervenheilanstalten, deren Insassen - viele von ihnen nicht chronisch psychisch krank, sondern von Familienangehörigen oder sogar Arbeitgebern eingewiesen, da diese sich ihrer oftmals damit "entledigen" wollten - einmal eingewiesen, aus der "Mühle", dem Räderwerk dieser Anstalten teils bis zu ihrem Lebensende nicht mehr herauskamen. Clara teilt hier exemplarisch das Schicksal vieler Insassen, die oftmals keine Chance mehr hatten, zu einem normalen Leben zurückzufinden und entlassen zu werden....
Ebendies hat mich zutiefst erschüttert, erreicht, betroffen gemacht und mich bestürzt! (Auch wenn mir dies nicht unbekannt war). Der Schreibstil, den ich brillant finde, die große Spannung und Authentizität taten das Übrige: Clara ist zwar eine fiktive Person, steht jedoch exemplarisch für viele, die ein solches Schicksal tatsächlich ereilt hat! Somit stellt dieser Roman ein dunkles und inhumanes Kapitel der Psychiatrie dar (den früheren Nervenheilanstalten) und hält sich dabei (mit Ausnahme kleiner schriftstellerischer Freiheiten, die die Autorin auch im Nachwort benennt); er knüpft an die realen Bedingungen an, unter denen Menschen sich bis vor ca. 50 Jahren in diesen Anstalten mit mehr als fragwürdigen "Heilmethoden" wiederfanden, in dieser Zeit auch ausgebeutet wurden (interne Arbeitseinsätze) und oftmals zeitlebens diese Hospitale nicht mehr verlassen konnten, sogar anonym dort beerdigt wurden. 
Unsere Geschichte von Clara und der Tochter, die sie in Willard geboren hat, endet jedoch eher tröstlich und für Izzy besonders schön - ohne dabei trivial oder seicht zu wirken, ganz im Gegenteil: Das Romanende unterstreicht eher die Dramatik, die dem Leser (der, so hoffe ich, starke Nerven besitzt!) die Tränen in die Augen treibt - und dies alles andere als grundlos!

Fazit:

Ein sehr berührender, emotional tiefer und authentisch sowie brillant geschriebener Roman, der den Opfern psychiatrischer Einrichtungen, hier exemplarisch das Willard State im Staat New York, eine Stimme gibt! Menschen, die der Macht und der Willkür von Medizinern ausgesetzt waren (Psychologen gab es erst ab ca. 1960 in diesen Anstalten); Menschen, die aufgrund eines Schocks, eines Traumas, einer depressiven Phase o.a. eingewiesen wurden, bis sie dann oftmals das waren, was "geheilt" werden sollte: "verrückt zu sein"!
Dies ist kein Roman mit "Wohlfühlfaktor", eher ein Buch, das aufklärt, fasziniert, verstört, hoffen lässt, den Leser teilhaben lässt an einer Welt, die nicht so war, wie sie es vorgab, zu sein ("Wir wollen Ihnen nur helfen" - Dr. Roach). Für mich ein überaus tolles, ergreifendes, außergewöhnliches Buch, das ich unbedingt weiterempfehlen möchte und ein Lesehighlight 2015 für mich darstellt, das ich mit 100° und 5 Sternen (plus) bewerte und der Meinung bin: Es hätte nicht besser geschrieben werden können!

P.S. Noch einen Tipp für Interessierte: Zu Willard gibt es viele Infos im Netz; zu den Koffern (427 an der Zahl, die auf dem Dachboden von Willard gefunden wurden!) bei www.travelbook.de (Die-Koffer-der-vergessenen-Seelen-von Willard). Dort kann man durch die Fotografien von Jon Crispin die Inhalte der Koffer sehen - und findet sogar eine reale Person, die auch im Buch genannt wurde - und Clara sehr geholfen hat! (Mr. Lawrence)Dieser (für mich sehr außergewöhnliche) Roman ist als TB im Piper Verlag, November 2015, erschienen. Der Titel der Originalausgabe lautet "What she left behind" (Kensington, 2014); wobei man unter "what they left behind" zahlreiche weitere reale Dokus und Informationen im Internet zum Thema Nervenheilanstalten im vorigen Jhd. findet, die diesem Roman einen sehr realen Hintergrund gibt.... Das Cover ziert das Hauptgebäude von Willard State (Staat N.Y.); die Umzäunung steht symbolisch für die Situation, in der sich die insgesamt 54.000 Insassen bzw. "Patienten" (von 1869-1995) in Wahrheit befanden....

Inhalt:

Willard, 1995. Zehn Jahre ist es her, dass eine schicksalhafte Nacht für Izzy Stone alles veränderte. Seitdem lebt die 17-Jährige bei wechselnden Pflegefamilien, die Wunden ihrer Vergangenheit sitzen tief. Izzys Pflegemutter bittet sie, bei der Katalogisierung von Koffern und deren Inhalten aus einer leerstehenden psychiatrischen Anstalt zu helfen. Dabei stößt Izzy auf das Tagebuch einer gewissen Clara Cartwright.
New York, 1929. Die 18-jährige Clara Cartwright wurde einem Sprössling aus gutem Hause versprochen. Als sie sich weigert, die arrangierte Ehe einzugehen, schickt ihr Vater sie in ein Heim für Nervenleidende - und ein Albtraum nimmt seinen Lauf.
Claras Geschichte holt Izzy mehr und mehr in ihre eigene Vergangenheit zurück, und je mehr sie über Claras Leben in Erfahrung bringt, desto mehr klären sich auch die Rätsel ihres eigenen Lebens.....(Quelle: Klappentext)

Meine Meinung:

Die einzelnen Kapitel dieses unglaublich brillant und mit Authentizität sowie großer emotionaler Tiefe  geschriebenen Romans von Ellen Marie Wiseman wechseln sich immer wieder in den beiden Handlungssträngen ab und auf für mich äußerst spannende, flüssig und teils poetisch beschriebene Weise, die von einer excellenten atmosphärischen Dichte begleitet wird, wird der Leser in die Lebenswege und das Schicksal von Clara (in den 1930er Jahren) und Izzy (ab 1995) , die miteinander kunstvoll verwoben sind, literarisch entführt: Die Charaktere, deren Gedanken und ihre Gefühlswelt sind von großer Sensibilität gezeichnet; besitzen Intelligenz und persönliche Stärke, die sowohl auf Clara als auch auf Izzy zutreffen. Während Clara ihr Schicksal, vom eigenen Vater zuerst nach Long Island und später nach Willard State (Asylum for Insane) als völlig gesunde junge Frau eingewiesen wird, nicht mehr verändern kann, hat Izzy durch das Auffinden des Tagebuchs von Clara und der Schließung von Willard (im Jahre 1995!) die Chance, ihre Beziehung zu ihrer Mutter, die im Gefängnis sitzt, zu überdenken und die Motive für deren Handeln herauszufinden, sich damit ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen...
Die beiden Hauptprotagonistinnen wie auch die Nebenfiguren sind sehr authentisch beschrieben, der Roman ist durchsetzt von großer Spannung und gleichermaßen einer ungewöhnlich starken Gefühlstiefe: Der Leser erhält einen Einblick in die teils inhumanen und grausamen früheren "Heilmethoden" in Nervenheilanstalten, deren Insassen - viele von ihnen nicht chronisch psychisch krank, sondern von Familienangehörigen oder sogar Arbeitgebern eingewiesen, da diese sich ihrer oftmals damit "entledigen" wollten - einmal eingewiesen, aus der "Mühle", dem Räderwerk dieser Anstalten teils bis zu ihrem Lebensende nicht mehr herauskamen. Clara teilt hier exemplarisch das Schicksal vieler Insassen, die oftmals keine Chance mehr hatten, zu einem normalen Leben zurückzufinden und entlassen zu werden....
Ebendies hat mich zutiefst erschüttert, erreicht, betroffen gemacht und mich bestürzt! (Auch wenn mir dies nicht unbekannt war). Der Schreibstil, den ich brillant finde, die große Spannung und Authentizität taten das Übrige: Clara ist zwar eine fiktive Person, steht jedoch exemplarisch für viele, die ein solches Schicksal tatsächlich ereilt hat! Somit stellt dieser Roman ein dunkles und inhumanes Kapitel der Psychiatrie dar (den früheren Nervenheilanstalten) und hält sich dabei (mit Ausnahme kleiner schriftstellerischer Freiheiten, die die Autorin auch im Nachwort benennt); er knüpft an die realen Bedingungen an, unter denen Menschen sich bis vor ca. 50 Jahren in diesen Anstalten mit mehr als fragwürdigen "Heilmethoden" wiederfanden, in dieser Zeit auch ausgebeutet wurden (interne Arbeitseinsätze) und oftmals zeitlebens diese Hospitale nicht mehr verlassen konnten, sogar anonym dort beerdigt wurden. 
Unsere Geschichte von Clara und der Tochter, die sie in Willard geboren hat, endet jedoch eher tröstlich und für Izzy besonders schön - ohne dabei trivial oder seicht zu wirken, ganz im Gegenteil: Das Romanende unterstreicht eher die Dramatik, die dem Leser (der, so hoffe ich, starke Nerven besitzt!) die Tränen in die Augen treibt - und dies alles andere als grundlos!

Fazit:

Ein sehr berührender, emotional tiefer und authentisch sowie brillant geschriebener Roman, der den Opfern psychiatrischer Einrichtungen, hier exemplarisch das Willard State im Staat New York, eine Stimme gibt! Menschen, die der Macht und der Willkür von Medizinern ausgesetzt waren (Psychologen gab es erst ab ca. 1960 in diesen Anstalten); Menschen, die aufgrund eines Schocks, eines Traumas, einer depressiven Phase o.a. eingewiesen wurden, bis sie dann oftmals das waren, was "geheilt" werden sollte: "verrückt zu sein"!
Dies ist kein Roman mit "Wohlfühlfaktor", eher ein Buch, das aufklärt, fasziniert, verstört, hoffen lässt, den Leser teilhaben lässt an einer Welt, die nicht so war, wie sie es vorgab, zu sein ("Wir wollen Ihnen nur helfen" - Dr. Roach). Für mich ein überaus tolles, ergreifendes, außergewöhnliches Buch, das ich unbedingt weiterempfehlen möchte und ein Lesehighlight 2015 für mich darstellt, das ich mit 100° und 5 Sternen (plus) bewerte und der Meinung bin: Es hätte nicht besser geschrieben werden können!

P.S. Noch einen Tipp für Interessierte: Zu Willard gibt es viele Infos im Netz; zu den Koffern (427 an der Zahl, die auf dem Dachboden von Willard gefunden wurden!) bei www.travelbook.de (Die-Koffer-der-vergessenen-Seelen-von Willard). Dort kann man durch die Fotografien von Jon Crispin die Inhalte der Koffer sehen - und findet sogar eine reale Person, die auch im Buch genannt wurde - und Clara sehr geholfen hat! (Mr. Lawrence)v