Von Syrien nach England
Bewertet mit 5 Sternen
Nuri und Afra leben gemeinsam mit anderen Flüchtlingen aus vielen verschiedenen Ländern in einer heruntergekommenen Pension in England. Beide sind schwer traumatisiert durch den Verlust ihres Sohnes und die Erlebnisse während der Flucht. Nun warten sie auf ihre Anhörung um eventuell auf Nuris Cousin und dessen Familie zu treffen, die bereits als Asylsuchende in England anerkannt sind.
Die Autorin Christy Lefteri wuchs als Tochter zypriotischer Geflüchteter in London auf. 2016 und 2017 verbrachte sie die Sommermonate als Freiwillige in einem von der Unicef unterstützten Geflüchtetenlager in Athen. Die Geschichten, die ihr die Menschen dort erzählten, inspirierten sie dazu, dieses Buch zu schreiben.
Ihre poetische Sprache und die schrecklichen Ereignisse stehen in einem erschütternden Widerspruch zueinander. Die Geschehnisse in der Pension werden immer wieder von Erinnerungen an die Heimat und die Flucht abgelöst. Wir erfahren von Nuris glücklicher Vergangenheit als Bienenzüchter und den veränderten Umständen, die eine Flucht unumgänglich machten. Da Afra seit dem Tod des Sohnes blind ist, liegt alle Last auf Nuris Schultern.
Begegnungen mit anderen Geflüchteten ergänzen das Schicksal des Ehepaares, das sich durch das Leid entfremdet hat. Als außenstehender Leser entdeckt man vor den Betroffenen, was deren Leben zu zerstören droht. Andererseits keimt auch immer wieder Hoffnung auf ein wenig Normalität auf.
Es passiert mir selten, dass ich ein Buch nach dem ersten Lesen gleich nochmal zur Hand nehme. Doch bei diesem Buch konnte ich nicht anders. Nach dieser Lektüre war es mir nicht möglich, mich einem anderen Thema zuzuwenden. Zuerst muss das Gelesene verarbeitet werden.
Wer traumatisierte Flüchtlinge verstehen will, sollte sich nicht scheuen, dieses Buch zu lesen. Es enthält neben all dem Schrecklichen auch viele hoffnungsvolle Momente, die in einer angenehmen Sprache verpackt sind.