Rezension

Wenn Jane Austens Werke noch heute ihre Gültigkeit beweisen...Ein wundervolles Buch !

Jane & Miss Tennyson - Emma Mills

Jane & Miss Tennyson
von Emma Mills

Bewertet mit 5 Sternen

Fünf Sterne sind nicht genug!

„The strongest actions for a woman is to love herself, to be herself and shine amongst those who never believed she could“ ( Jane Austen 1775 – 1817 )

 

Emma Mills Jugendroman „Jane & Miss Tennyson“ beginnt mit folgendem Satz:

„Der Aufsatz für meine Collegebewerbung hieß >>Schulessen, die Temple-Sterling-Highschool und ich<< und war genauso grauenhaft, wie der Titel vermuten lässt.“ S. 7.

Mein erster Gedanke war : Was erwarte ich von einem Buch, das so beginnt? Mir kamen die wildesten Spekulationen von typischer, amerikanischer, locker-humorvollen Lektüre ohne Tiefgang, dafür aber klischeehaft, oder ironisch-bissiger Gesellschaftskritik einer Protagonistin, die die Anforderungen des Lebens nicht so ernst nimmt. Kann eine Protagonistin, die solch einen Aufsatztitel formuliert wirklich Bezug zu den Romanen einer Jane Austen haben, die in ihren gesellschaftskritischen Werken durch kunstvollen Handlungsbau, glänzende Charakterzeichnungen, virtuose Dialoge und nicht zuletzt subtile Ironie besticht? Ich war skeptisch. Und dennoch wurde ich am Ende eines Besseren belehrt. Ich hätte nie erwartet, dass hinter Mills Debüt ein solcher kleiner Schatz steckt, der sich mit liebevoll charakterisierten Figuren, geschickten Wortspielen, subtilem Humor und überraschender Tiefe, dem modernen Gesellschaftsbild und den Werten der jungen Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden widmet.

 

Klappentext:

 

Devon Tennyson hadert bisweilen damit, dass ihr Leben kein Jane- Austen- Roman ist. Aber an sich würde sie nichts ändern. Sie ist zufrieden damit, heimlich in ihren besten Freund verliebt zu sein und Die Zukunft zu ignorieren. Aber das Leben macht nicht mit. Erst zieht ihr Cousin Foster, ein unverbesserlicher Sonderling mit einem überraschenden Talent für Football, bei ihnen ein. Dann taucht der unausstehliche, überhebliche und unerträglich attraktive Ezra auf. Und Devon muss feststellen, auch im 21. Jahrhundert können Stolz und Vorurteil einem im Weg stehen und erste Eindrücke täuschen.

 

Meinung:

 

Emma Mills hat mit der 17-jährigen Devon Tennyson ein Protagonistin erschaffen, die mit den typischen Problemen an der Schwelle zum Erwachsenwerden konfrontiert wird und sich auf ihre ganz eigenen Art versucht, damit auseinanderzusetzen. Als begeisterte Leserin der Romane einer Jane Austen ist sie enttäuscht, in einer Zeit zu leben, die mit den damaligen Werten in keinster Weise gleichzusetzen ist. Hach, was waren das noch für Bälle zu Austens Zeiten:

 

„ Man bestellte eine Kutsche, trug ein atemberaubendes Abendkleid und wenn man den Raum betrat, wurde der Name verkündet. Es gab echte Tänze zu echter Musik. Einen gewissen Sinn für Anstand. Kurz gesagt, keinen, der hinter die Büsche kotzte. Keinen, der sich danebenbenahm. In Film und Fernsehen wird es gerne etwas aufgepeppt – mit einem Pop-Rock-Soundtrack, deutlich weniger Leuten und viel zu viel Beleuchtung – aber, die Hauptaspekte entsprechen der Wirklichkeit: Highschoolpartys sind Brutalitäten für Idioten mit zu viel Sinn für Dramatik und zu wenig Feingefühl.“ S. 68/69

Mills lässt Devon aus der Ich-Perspektive auf herrlich ironisch-sarkastische Weise und sehr humorvoll ihr modernes Umfeld an einer amerikanischen Highschool und die gelebten Werte und gängigen Klischees der Jugend, aber auch sich selber, beleuchten und kritisieren. Sie passt sich den Trends der Zeit nicht an und bleibt sie selbst. Sie stellt sich nicht in den Vordergrund, wird aber von ihren Mitschülern akzeptiert, gemocht und nimmt somit auch keine Außenseiter Rolle ein. Devon wirkt oft, wie eine stille Beobachterin ihres Umfeldes, beschäftigt mit ihrer eigenen Suche nach ihrer Bestimmung und dem heimlichen Wunsch ihr bester Freund Cas würde irgendwann ihre unausgesprochenen Gefühle erwidern. Dass sie eigentlich noch keinen konkreten Zukunftsplan hat und glaubt keine besonderen Fähigkeiten zu besitzen, stört sie zunächst nur bedingt. Irgendwann wird sich schon eine Lösung finden. Gerade ihre kleinen Macken und ihre Zweifel über sich und ihre Ziele, die sie alles andere als perfekt erscheinen lassen, ihre Schlagfertigkeit und ihr trockener, teils bissiger Humor, machten Devon für mich zu einer überaus sympathischen Hauptfigur, der ich gerne auf ihrem Weg gefolgt bin.

 

„Ich verlange von den Leuten nicht, dass sie mir angenehm sind, weil es mich vor dem Problem bewahrt, sie zu mögen“ ( Jane Austen 1775-1817)

 

Mit ihrem Cousin Foster und dem schweigsamen, unzugänglichen Ausnahmesportler Ezra treten zwei Charaktere in Devons Leben, die schleichend ihre bisherigen Erkenntnisse über ihr Umfeld, ihre Ziele, aber besonders über sich selbst ins Wanken bringen. Wir erleben gemeinsam mit Devon ihren Weg, sich mit ihren Zielen und Stärken, aber auch mit ihren Vorurteilen über das Wesen ihrer Mitmenschen auseinanderzusetzen und ihre eigene Persönlichkeit neu zu definieren. Darüber hinaus erleben wir eine zarte und rührende Liebe die sich zunächst unterbewusst entwickelt, den Leser aber ab einem gewissen Punkt in der Geschichte regelrecht mitfiebern lässt, dass sich am Ende das richtige Paar finden möge.

 

Die Autorin beweist in ihrem Roman ein sicheres Händchen für die liebevolle Zeichnung ihrer Charaktere, bis hin in die Nebencharaktere. Alle nehmen ihre berechtigte Rolle in Devons Leben ein. Ob es der ungewollte Familienzuwachs Foster ist, der mit seinen skurrilen Gewohnheiten und seiner Anhänglichkeit Devon zunächst nervt, sich dann aber immer weiter nicht nur in ihr Herz schleicht, sondern auch den Platz eines Bruders einnimmt. (Ich hätte ihn mehr als einmal für sein Wesen knuddeln können.) Oder der scheinbar arrogante, schweigsame und unzugängliche American Allstar Ezra, der im Verlauf eine ganz andere Seite von sich zeigt und sich irgendwann heimlich zu meiner Lieblingsfigur entwickelt hat. Man ertappt sich dabei, dass das eigenen Leserherz sich weitet und nacheinander alle Charaktere ihren besonderen Platz darin finden.

 

Warum funktioniert dieses Buch so hervorragend? Zum einen ist es dem grandiosen Humor geschuldet, mit dem die Autorin Devon ihre Geschichte erzählen lässt, die zumindest mich immer wieder schallend lachen, oder schmunzeln ließen. Ich habe mich dabei ertappt mein Notizbuch mit so einigen genialen Devon-Zitaten zu füllen. Man weiß nie, wofür es gut ist.

 

"Ein netter Spitzname war der erste Meilenstein auf der Kotzautobahn, die direkt nach Beziehungsstadt führte. Und sich Namen für erfundene Straßen und Städte auszudenken, um seinen Kummer zum Ausdruck zu bringen, war wahrscheinlich der erste Schritt hin zum Wahnsinn." (S. 222)

Zum Anderen ist es der hohe Wiedererkennungswert, den gerade junge Leser hier finden werden, die sich mit ganz ähnlichen Problemen beschäftigen. Was zunächst locker und spritzig wirkt, entwickelt sich im Laufe der Handlung zu tiefgründigen Problemen, teils schmerzlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit, Zweifeln, Unsicherheiten und auch Ängsten der Protagonisten, die mich nicht selten emotional tief berührt haben. Genauso, wie der feinfühlige Umgang der Charaktere miteinander mich an manchen Stellen sehr gerührt hat. Aber auch engstirniges Denken, Sturheit und Vorurteile der Figuren, die mich fluchen ließen, oder zum Schütteln derselbigen animierten. All dies in Kombination wirkte sehr authentisch auf mich, direkt aus dem Leben gegriffen und könnte mir genauso passiert sein. Indem ich mich mit den Charakteren identifizierte, lebte ich die Geschichte beim Lesen emotional mit wie meine eigene, was für mich immer ein Kriterium für ein hervorragendes Buch ist. Dabei ist positiv hervorzuheben, dass die ganz großen, übertriebenen Dramen ausblieben, die eine Handlung mitunter auch unglaubwürdig machen. Somit war für mich dieser Roman ein absolutes Wohlfühlbuch, das mir unglaublich schöne Lesestunden beschert hat.

 

Interessant fand ich die Idee der Autorin den Lieblingssport Nummer eins der Amerikaner, den Football als Bild aufzugreifen, dem Leser das Denken und die Werte der jungen Erwachsenen näherzubringen. Football als Beliebtheitswettbewerb mit politischen Hintergedanken, oder Leben einer Tradition über Generationen? Ein Sport, der Charaktereigenschaften der Protagonisten enttarnt, oder Beziehungen untereinander aufdeckt. Mills hat dem Sport einen hohen Anteil in ihrer Handlung eingeräumt, ohne dass der Leser sich mit komplizierten Spielregeln oder seinem Wesen auseinandersetzen muss. Sie nutzt ihn eher um die Entwicklung der Charaktere oder die kritische Betrachtung der Gesellschaft zu verdeutlichen. Ich finde es ist ihr hervorragend gelungen.

 

Aber was hat das alles mit Jane Austen zu tun, die bereits im Klappentext Erwähnung findet? Wer sich tiefer mit der Handlung und den Charakteren befasst, wird neben den Vergleichen die Devon zwischen ihrer modernen Welt und den Werten eine Jane Austen zieht, sowie der Erwähnung ihrer Werke „Gefühl und Vernunft“ und „Stolz und Vorurteil“, auch viele nicht erwähnte Parallelen im Buch selber erkennen. Emma Mills ist es gelungen eine Verbindung zwischen dem kritischen Gesellschaftsbild mit seinen Probleme und Werten einer Jane Austen und den Erkenntnissen über die heutige Gesellschaft, die sie ihre Protagonistin Devon entdecken lässt, herzustellen. Die Autorin macht Austens Darstellungen für die heutige Zeit auf wunderbare Weise gültig, indem sie die einzelnen Elemente aus Austens Werken über Stolz, Vorurteile, gefühl- und vernunftgeleitetes Handeln, in den Handlungen ihrer Charaktere aufgreift und in unser modernes Zeitalter überträgt. In Austens Werken erfährt man lebhaft und mit einigen ironischen Untertönen einiges über Sitten und Gebräuche der damaligen Gesellschaft, besonders der Mittelschicht, die dem Schein nach von Oberflächlichkeit, Vergnügungssucht und Langeweile beherrscht wurde. Schönheit und Vermögen waren bedeutender als Klugheit und Wissen ( besonders der Frauen). Gerne versuchte man besser zu sein als Freunde oder Nachbarn. Aber es gab zum Glück auch Ausnahmen – Personen, die sich diesen Gesellschaftsformen nicht anpassten und entsprechend schnell als Sonderling und Außenseiter gelten. Sie stellten die Angriffsfläche für Gerüchte und Vorurteile. Und genau wie Austen der Gesellschaft einen Spiegel in ihren Werken vorhält, so setzt sich auch Mills mit den Werten der modernen Gesellschaft auseinander und zeigt, dass sich wohl heutzutage nicht viel geändert hat. Für mich ist Mills Roman eine kleine Hommage an eine große Schriftstellerin, die damals ihrer Zeit weit voraus war und heute noch immer aktuell ist. In „Jane & Miss Tennyson“ finden wir ein wenig den Stil einer Austen, augenzwinkernd Kritik zu üben, aber in einer leicht verständlichen Form für die jungen Leser. Vielleicht findet ja der ein oder andere seinen Mr. Darcy, seine Lizzie Bennet oder andere herausragende Figuren in den Charakteren von Emma Mills wieder. Ich habe meine gefunden.

 

Fazit:

 

Emma Mills schreibt mit ihrem Roman ein schlüssig aufgebautes Debüt, das junge und ältere Leser gleichermaßen zu begeistern weiß. Ein Buch, das Spaß macht und wunderschöne Lesestunden mit Wohlfühlfaktor beschert, gleichfalls auch emotional zu berühren vermag. Ein rührendes Ende à la Jane Austen hat mich das Buch zutiefst befriedigt schließen lassen. Die ungeklärten Fragen kann man dabei beruhigt der Fantasie des Lesers überlassen.

Ich kann nur für mich sprechen und jedem empfehlen: Lest und genießt.

Ich würde auch mehr als 5 Sterne vergeben. Chapeau Mrs Mills, niemand würde ein Debüt hinter diesem Roman vermuten.