Rezension

Wie gehen Schuldige mit ihrer Schuld um?

Seinetwegen -

Seinetwegen
von Zora del Buono

Bewertet mit 4.5 Sternen

Zora del Buono verlor mit acht Monaten ihren erst 33 Jahre alten Vater durch einen Autounfall. Der Vater Manfredi del Buono war damals schon ein angesehener Arzt in Zürich, dem eine große Karriere bevorstand. Die junge Witwe kam nie über den Verlust hinweg, hat nicht noch einmal geheiratet. Sie wollte nicht einmal über den Vater sprechen. Die Tochter vermied das Thema. Zu qualvoll war es für sie, den Schmerz ihrer Mutter zu sehen. Zora hat sich schon als junges Mädchen Freunde gesucht, die ebenfalls vaterlos aufwuchsen. Auch später trifft sie häufig Menschen, die ähnliche Verluste erlitten hatten. Ihr ganzes Leben lang fragt sie sich, wie wohl das Leben des damals erst 28jährigen Unfallverursachers Ernst Traxler, genannt E.T. ausgesehen hat, vor allem, wie er mit seiner Schuld umging. Als sie 60 ist und ihre Mutter dement und in einer Einrichtung untergebracht, beginnt sie zu recherchieren und folgt Traxlers Spuren. Sie trifft bei ihren Reisen Menschen, die ihn kannten und ihr von seinem Leben erzählen. So erfährt sie, dass der Unfall auch Traxlers Leben nachhaltig beeinflusst hat. Die Autorin folgt nicht nur seinen Spuren, sondern beschäftigt sich mit Statistiken über die Opfer – seien es Menschen oder Tiere - von Autounfällen und anderen Katastrophen, mit Rassismus gegenüber Italienern in der Schweiz, der Hinrichtung von Hexen in der Vergangenheit und mit allen Arten von Ungerechtigkeiten der Rechtsprechung und liest schließlich auch die Gerichtsakten zu dem Fall. Am Ende wirkt sie von ihrer obsessiven Beschäftigung mit der "Leerstelle“ in ihrem Leben und dem Leben des “Töters“ befreit und kann ihr Leben normal weiterleben.
Mir hat diese autofiktionale Erzählung gefallen, wenn auch nicht so gut wie “Die Marschallin“, eine weitere Familiengeschichte, die sich mit den Großeltern väterlicherseits beschäftigt. Zora del Buono ist auf jeden Fall eine Autorin, die ich im Auge behalten werde.