Rezension

Winkende und tanzende Eichhörnchen

Wir von der anderen Seite - Anika Decker

Wir von der anderen Seite
von Anika Decker

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein außergewöhnlicher Roman, der mich sowohl gut unterhalten als auch emotional berühren konnte

Als Rahel Wald in einem Krankenhaus wach wird, versteht sie erst mal gar nichts: Wo ist sie? Warum ist es so laut? Und was sollen die Schläuche? Sie ist fiebrig, wirr im Kopf, kann nicht normal essen und reden – und sie hat Schmerzen. Erst nach und nach begreift die junge Drehbuchautorin: Sie lag nach einer schweren Blutvergiftung im Koma. Unter dem Einfluss von Medikamenten hat sie Albträume und Halluzinationen. Sie glaubt unter anderem, winkende und tanzende Eichhörnchen zu sehen. Schafft sie es von der anderen Seite zurück ins Leben? Unterstützung bekommt sie von ihrer etwas verrückten Familie. Rahel wird immer klarer: Ihr Leben ist viel zu kostbar, um es nach fremden Erwartungen auszurichten. Sie will es von jetzt an selbst in die Hand nehmen.

„Wir von der anderen Seite“ ist der Debütroman von Anika Decker.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 19 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Die Geschichte wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge erzählt – und zwar in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Rahel. Zwischendurch gibt es kurze Rückblenden. Dieser Aufbau funktioniert gut.  

Der Schreibstil ist locker und anschaulich. Trotz der ernsten Thematik trifft die Autorin einen humorvollen und selbstironischen, aber nicht zu übertrieben flapsigen Ton. Obwohl der Leser sehr unmittelbar in die Geschichte geworfen wird, fällt der Einstieg nicht schwer.

Mit Rahel steht eine sympathische und selbstbewusste Protagonistin im Vordergrund, deren Gedanken- und Gefühlswelt ich gut nachvollziehen kann. Auch die übrigen Charaktere wirken authentisch.

Angesprochen hat mich der Roman vor allem wegen seiner Thematik. Die Frage, wie es einem Menschen ergeht, der einen solchen Schicksalsschlag erleidet und sich wieder zurückkämpfen muss, stellt sich vielen von uns an dem einen oder anderen Punkt im Leben.  Dass die Autorin selbst bereits ähnliche Erfahrungen machen musste und autobiografische Elemente eingearbeitet hat, wird an einigen Stellen deutlich, denn die Schilderungen kommen sehr realitätsnah rüber. Das hat dazu beigetragen, dass mich das Buch immer wieder nachdenklich gemacht hat. Doch zugleich ist das Buch mehr als nur eine Krankheitsgeschichte, denn es erzählt von der Entwicklung einer jungen Frau, die durch ihr Schicksal lernt, ihren eigenen Weg zu gehen.

Eine Stärke des Romans ist es, dass er auf mehrfache Weise berühren und unterhalten kann. Traurige, betroffen machende Passagen wechseln sich ab mit witzigen Momenten. Das verhindert, dass die Stimmung zu düster wird, und lässt die Geschichte trotz der fast 400 Seiten nicht langatmig werden.

Das Cover der gebundenen Ausgabe gefällt mir sehr. Darüber hinaus passt das winkende Eichhörnchen gut zum Inhalt. Der Titel macht neugierig und ist ebenfalls treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Wir von der anderen Seite“ von Anika Decker ist ein außergewöhnlicher Roman, der mich sowohl gut unterhalten als auch emotional berühren konnte. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich nicht nur mit seichten Wohlfühlgeschichten beschäftigen wollen.