Rezension

Wollmaskenmörder

Tote haben kein Zahnweh - Isabella Archan

Tote haben kein Zahnweh
von Isabella Archan

Augen auf, Finger schnippen. Und: staunen, grinsen, rätseln, zittern, strahlen! Sehr gut konzipierte pfiffige Krimikomödie

Assoziation zum Zahnarzt: Die Turbine spuckt Wasser und schrille Töne, der Speichelsauger schnorchelt Blut und Weiß-nicht-was in sich hinein, die Zange zieht die Zähne, aber vorher kommt: die Spritze! Wer da an einer Spritzenangst, der Trypanophobie, leidet, braucht den guten Zuspruch durch den psychologisch geschulten Zahnarzt. Was aber, wenn der Zahnarzt, oder besser: die Zahnärztin, Trypanophobikerin ist? Ha!

Dieser Frage ist Isabella Archan auf höchst amüsante und eiskalt mörderische Weise nachgegangen. Kurzer Abriss der Handlung: Frau Dr. Leocardia Kardiff findet in ihrer Mittagspause – sie kommt gerade von der Therapiesitzung wegen ihrer Spritzenphobie – eine bös zugerichtete Leiche. Die Polizei ermitteln lassen? Ja, im Grunde schon. Wenn da nicht diese schreckliche Neugier wäre. Und, weil Dr. Leo ja ihre Spritzenphobie (meist) beherrscht, kann sie bestimmt auch einen Mörder finden. Denkt sie. Kann sie?

 

Gesamteindruck: Isabella Archan hat bei diesem lustigen Krimi alle Register (auch die blutigen!) gezogen. Der Leser purzelt zusammen mit Dr. Leo in die Handlung. Alles, was passiert, hat Schwung, Witz und Spannung. Mit diesen Zutaten entfaltet sich ein ausgezeichnet nach allen Regeln der Kunst konzipierter Krimi: Der Leser blickt aus allen möglichen Richtungen auf den Fall, er findet Spuren und Verdächtige, freut sich über logische Zusammenhänge und kann stolz nach mehr als 300 (von 367) Seiten erkennen, wer’s war. Und dann – Leser, fühl dich auf den Zahnarztstuhl gesetzt! –geht’s noch mal  richtig los wie auf der Achterbahn, der Blutdruck schießt dir in die Höh‘!

Auf den letzten fünfzig Seiten gibt Isabella Archan derart Gas, dass man die auf einen Sitz lesen muss.

Ein echter Lesespaß!

 

Konzeption und Sprache: Der Leser erlebt die Handlung aus der Sicht aller Beteiligten, auch der des sterbenden Opfers und der des Mörders. Der Krimi besteht aus fünf Teilen plus Epilog, die jeweils mit einer zu Dr. Leo passenden Überschrift versehen sind. Innerhalb dieser Teile wechseln die Erzählperspektiven fließend und dennoch eindeutig zuordenbar, sodass der Leser stets an der jeweiligen Perspektive hautnah dran ist. Das schafft Lebendigkeit, Spannung und generiert den Humor. Isabella garniert ihre Erzählkunst mit drei stilistischen Schmankerln: Telefonmitschnitt, Theatermonolog und Interview. Sie bringt mit Schwung, Stil und Komik die pfiffige Handlung haargenau auf den richtigen Punkt. Und sie besteht im „Minenfeld“ Humor – auf jeden Fall trifft sie meinen.

Sprachlich beweist Isabella ausgezeichnetes Gespür für die jeweilige Situation. An der Stelle vermute ich, dass sie dazu dank ihrer schauspielerischen Ausbildung so gut in der Lage ist. Als das Opfer stirbt, beschreibt Isabella den Tod so, dass ich als Leser auf den lediglich fünf Seiten einen tiefen Eindruck des Charakters des Opfers erhalte. Der Tod macht keine Angst, ist aber dennoch erschreckend in seiner Endgültigkeit. Zudem entsteht die erste Ahnung hinsichtlich der Täterpsyche. In meinen Augen ist das echte Schreibkunst.

Und hier mein ganz persönlicher Genus: Isabella inszeniert perfekt auf Hochdeutsch samt „Kölsch“, und trotzdem zeigt sich die Österreicherin an fünf winzigen Stellen (vielleicht?) ungewollt. (Es sind nicht die wenigen Stellen, die in Österreich angesiedelt sind…) Da strahlt meine österreichische Seele!

Sämtliche Personen sind griffig dargestellt. Besonders gefallen hat mir neben der Frau Dr. Leo der Mörder. Weil seine psychische Entgleisung geradezu grandios dargestellt wird.

 

Leseempfehlung! Ein wirklich pfiffiger Krimi, bei dem sich Isabella Archan erfolgreich das traut, was mit am schwierigsten ist: Humor und (Situations-)Komik.