Rezension

Auf Schritt und Tritt mit der Wanderhure unterwegs

Die junge Wanderhure -

Die junge Wanderhure
von Iny Lorentz

Bewertet mit 4 Sternen

Farbig, eindringlich, mittelalterlich: Iny Lorentz vermittelt hier wieder großen Schmökerspaß

Auf dem Krankenbett wird die fiebernde Marie von bösen Träumen heimgesucht und erlöst sich davon, indem sie ihrer Freundin Alika und der Schwiegertochter Margarete von der Intrige erzählt, die sie beinahe das Leben gekostet hätte, und von den ersten Jahren, die sie daraufhin als Wanderhure durch das Land ziehen musste.

Dieser neunte Band der Reihe nimmt nicht den Faden des achten auf, sondern stellt sich vor alle anderen und schildert Maries Schicksal in der ersten Zeit ihrer Wanderschaft. 

Wieder einmal gelingt Iny Lorentz das perfekte Setting. Beim Lesen ersteht das Mittelalter des 15. Jahrhunderts, in das man sich wunderbar hinein ziehen lassen kann. Eindrücke wie Klänge, Gerüche, Farben - alles verdichtet sich zum Erlebnis. Gebräuche und Alltäglichkeiten werden beiläufig eingearbeitet und tun das ihre, um das Ambiente zu perfektionieren.

Wir treffen auf die geschundene, entehrte Marie, die sich entschließt, der Aussicht auf Rache wegen ihr Schicksal vorerst anzunehmen und sich gemeinsam mit anderen Huren auf Wanderschaft zu begeben, und begleiten sie auf Schritt und Tritt, spüren ihre Verzweiflung, aber auch ihre Kraft, erkunden Gegenden und Ortschaften, teilen Begegnungen und Abenteuer. Und von denen gibt es reichlich. 

Bemerkenswert ist, dass man diesem Buch die vielen Wiederholungen verzeiht. Gefühlt hundert Mal lässt man sich beteuern, wie sehr es Marie demütigt, sich unter einen Mann zu legen. Oder dass nur die Aussicht auf Vergeltung sie am Leben erhalte. Vielleicht bewirkt das einen Effekt, der die Leser noch dichter an die Hauptperson heranbringt.

Jedenfalls entsteht keinerlei Langeweile. Das liegt weniger an den manchmal durchaus detaillierten Beschreibungen sexueller Handlungen, als an dem bunten, ereignisreichen Fortgang der Geschichte und besonders an der Sprache, die es meisterhaft versteht, alte Ausdrucksweisen so einzubauen, dass sie das Gefühl der Zeitepoche absolut leichtfüßig und beinahe unmerklich auf die Leser überträgt.