Rezension

Bis auf wenige Dinge überzeugend und unterhaltsam

Die Stadt des Zaren - Martina Sahler

Die Stadt des Zaren
von Martina Sahler

Bewertet mit 4 Sternen

1703: Zar Peter hat sich ein großes Ziel gesetzt. An einem sumpfigen Ort im Newadelta soll eine neue russische Hauptstadt entstehen, die alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Um seinen waghalsigen Plan zu verwirklichen, lädt er begabte Handwerker und andere Meister ihres Fachs aus ganz Europa ein... .
Martina Sahler hat hier einen großartigen Roman über die Erbauung von St. Petersburg geschrieben, indem sie verschiedene Handlungstränge
unterschiedlicher Figuren miteinander verknüpft, aber dabei nie den Bau der Stadt und die Rückschläge dabei aus den Augen verliert.
Anfangs habe ich mich mit der Geschichte und der Erzählweise von der Autorin etwas schwer getan und konnte lange nicht mit den Protagonisten warm werden. Erst nach ca. 100 Seiten hat das Buch mich gepackt, aber dann auch nicht mehr losgelassen.
Im Mittelpunkt der Handlung steht neben dem Zaren meistens die deutsche Ärztefamilie Albrecht, die von der Ausländervorstadt Moskaus die Herausforderung annimmt und in die noch völlig unfertige Siedlung an der Newa zieht. Während der Mann unermüdlich in seiner Praxis schuftet und seine für den Zaren schwärmenden Frau Frieda ihm dabei tatkräftig Unterstützung zu kommen lässt, sind es vor allem die Lebenswege der beiden Töchter Paula und Helena, die die Geschichte spannend machen. Helena ist eine junge Frau, die sich aus meiner Sicht merkwürdig schnell in einen Kriegsgefangenen verliebt. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Paula bleibt sie etwas farblos zurück und man kann bei ihr schon vorausahnen, wie es mit ihr ausgeht. 
Auch die anderen Figuren wirken manchmal etwas konstruiert, wie die übermäßig bösartige und intrigante Gräfin Viktoria Bogdanowitsch, die ihre Leibeigenen fast zu Tode prügelt und die zwei ungleichen Brüder Matteo und Francesco, bei denen der eine ein Maul- und Frauenheld und der andere übermäßig begabt, aber schüchtern ist.
Besonders gut gefallen hat mir der sogenannte ,,Gottesnarr" Kostja, ein Zwerg, welcher seine Augen überall zu haben scheint und stets dem Zar berichtet, was in der Stadt vor sich geht.
Martina Sahler schreibt gut lesbar und schafft es, trotz einiger nicht ganz so überzeugenden Figuren, den Leser gut zu unterhalten. Beim lesen merkt man auch, dass sie sich wirklich intensiv mit der Geschichte der Erbauung St. Petersburgs auseinander gesetzt hat und dieses historische Wissen immer wieder einbringt. Auch verschweigt sie nicht, wie schwierig es für die Menschen am Newadelta war, überhaupt dort zu überleben und wie hart und grausam man mit Kriegsgefangenen und Leibeigenen dort umging. 
Insgesamt hat mich ,,Die Stadt des Zaren" bis auf wenige Dinge überzeugt und mich gut unterhalten. Wer sich für Russland und auch gerade für die Zarenzeit interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Gerne empfehle ich es hier weiter.