Rezension

Die Vision Zar Peter des Großen

Die Stadt des Zaren - Martina Sahler

Die Stadt des Zaren
von Martina Sahler

Bewertet mit 3 Sternen

1703 Russland. Zar Peter der Große ist ein fortschrittlicher Herrscher, der in seiner Heimat dem Lebensstil der Europäer nacheifern und im schlammigen Newa Delta eine neue Stadt errichten will, die er St. Pieterburch benennen und gleichzeitig als neue Hauptstadt küren will. Um seine Vision in die Tat umzusetzen, lädt er talentierte Handwerker, Ärzte und andere Kunstfertige aus ganz Europa nach Russland ein, denn ihm schwebt eine Großstadt nach europäischem Vorbild vor mit einem Hafen und guten Anbindungen Richtung Europa. Seine Einladung wird breitgefächert angenommen, denn alle versprechen sich eine erfolgreiche Mission, die ihren eigenen Ruhm noch vergrößern wird. Doch es werden auch Gefangene und Sklaven eingesetzt, die unter unwürdigen Umständen arbeiten müssen, um Peters Vision zum Leben zu erwecken, und dabei muss so mancher mit dem Leben bezahlen…

Martina Sahler hat mit ihrem Buch „Die Stadt des Zaren“ einen historischen Roman vorgelegt, der über einen Zeitraum von 10 Jahren (1702-1712) den Aufbau der Stadt St. Petersburg (St. Pieterburch) begleitet, den Leser hautnah daran teilhaben lässt und ihm Einblick in das Leben und Schicksal einiger Protagonisten gewährt, die mit am Bau involviert sind. Der Leser bekommt so einen Rundumblick über die vielfältig auftretenden Probleme, die der Aufbau mit sich bringt und über die Vorstellungen Peter des Großen. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, jedoch verliert sich die Erzählweise der Autorin zu sehr ins Detail, was den Bau betrifft, dafür kommen die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Schicksal der einzelnen Personen leider zu kurz. Die Geschichte wird aus der Sicht von verschiedenen Protagonisten erzählt, die einen guten Rundumblick über die Bauphasen der Stadt und die einzelnen Schicksale gewährt und wie sie miteinander verbunden sind. Der geschichtliche Hintergrund wurde von der Autorin mit der Handlung schön verwoben, wobei der Leser ebenfalls einiges über das politische und militärische Russland erfährt.

Die Charaktere sind vielfältig angelegt und ausgearbeitet. Sie haben individuelle Eigenheiten, kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und geben so einen guten Querschnitt durch die damalige Gesellschaft. Zar Peter der Große ist ein Visionär seiner Zeit, er steht für Fortschritt und Weltoffenheit. Er ist kulturell interessiert, hat aber auch eine harte Hand und einen festen Willen, der unumstößlich ist. Die neue Stadt hat für ihn oberste Priorität, der er alles unterordnet. Die deutsche Arztfamilie Albrecht gehört zu den ersten Siedlern, die von Moskau in die neue Stadt zieht. Während die Eltern mit dem Aufbau der Praxis vollauf beschäftigt sind, gehen die beiden Töchter Helena und Paula ihre eigenen Wege. Der Tischler Theodorus ist mit seinem Sohn Willem aus Amsterdam nach Russland gekommen, um dort ihr Handwerk auszuüben und den Stadtbau zu unterstützen. Ebenso sind italienische Architekten dem Ruf Peter dem Großen gefolgt, während schwedische Gefangene die Arbeiten am Bau unter widrigsten Bedingungen verrichten müssen. Die Mischung aus tatsächlichen historischen und fiktiv-erdachten Personen gibt einen interessanten Einblick in sämtliche Gesellschaftsschichten.

„Die Stadt des Zaren“ ist ein historischer Roman, der viele Themen in sich vereint, die mit dem Bau der Stadt St.Peterburg verbunden sind. Menschliche Schicksale aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, politische Machtspiele, Wunschvorstellungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt die Widrigkeiten der Natur zeigen ein reales Bild. Wer gern historische Bücher über Russland liest und auch nicht vor detaillierten Bauberichten zurückschreckt, der wird an diesem Buch Gefallen finden. Die menschlichen Schicksale kommen hier leider etwas zu kurz. Deshalb auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!