Rezension

Blankenese - Zwei Familien - Das Buch das einen trägt

Blankenese - Zwei Familien -

Blankenese - Zwei Familien
von Michaela Grünig

“Melancholisch blickte Irma auf die Elbe. Der Strandweg war schneebedeckt, doch der Fluss lag ruhig und schieferfarben in seinem Bett.”

In dem Buch der Autorin Michaela Grünig geht es um zwei Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten. John Casparius, der Sohn des Reedereichefs der Firma Casparius und die bescheidene, junge und in armen Verhältnissen lebende Leni Hansen. Beide Leben könnten unterschiedlicher nicht sein und doch schlagen zwei Herzen im Gleichklang. Er reich und im Luxus, während sie sich mit ihrer Mutter irgendwie über Wasser hält. Wären da nicht enorm viele Schicksalsschläge auf beiden Seiten, bekommt man das Gefühl, dass das Geld der Casparius dennoch die ewige Zufriedenheit innehält. Doch der Schein trügt.

Ich fand die Geschichte wirklich schön. In beider Leben hineinblicken zu können, zu sehen, dass auch bei den Casparius nicht alles Gold ist, was glänzt und Geld zudem nicht alles rettet. Die Kapitel werden abwechselnd aus Lenis und Johns Sicht erzählt, was interessante, spannende und auch traurige  Einblicke in deren Leben und ihre Gefühlswelt gewährt. Zudem bekommt man auch Einblicke aus der Sicht von Lenis Mutter Irma und auch die anderen Nebencharaktere sind wunderbar beleuchtet worden und greifbar. Es gab niemanden, den ich hätte anders haben wollen. Jeder Charakter war wundervoll ausgearbeitet worden und passte in die Geschichte.

Anfangs geht alles sehr langsam, was ich gut fand, doch mit einem Mal ging es alles sehr plötzlich. Es ging um eine Situation zwischen John und Leni. Auch im späteren Verlauf gab es wieder eine, wo ich mich fragte, wie konnten hier drei Jahre vergehen, ohne dass beide ein Wort miteinander gewechselt haben? Erst das Schicksal fängt an sie umzudenken zu lassen, allen voran John, der in seinem Leben soviel mitgemacht hat, dass das Vertrauen zu Leni auf Eis gelegt wurde. Für mich war das eine viel zu große Zeitspanne, die die Leselust minimal geschmälert hatte. Paar Seiten später nahm die Geschichte aber wieder an Fahrt auf und es war spannend, traurig und herzergreifend.

Das Buch beginnt im Jahre 1919, geht aber über die Zeit hinaus, als Hitler bekannt und hochgelobt wurde, ehe die Welt den Atem anhielt und sich auch das schöne Hamburg von heute auf morgen veränderte. Von Seite zu Seite spürt man die Veränderung. Nicht nur die in der Stadt Hamburg, sondern auch wie sich die Welt für die Protagonisten verändert. Für John, Leni, ihre Mutter Irma und ihre Kinder. Allein was Irma erfahren und mit eigenen Augen ansehen muss, ließ mir den Atem für einen Moment stocken. Wie schnell so etwas manchmal gehen kann, ist uns wahrscheinlich nicht bewusst, da wir vieles als selbstverständlich ansehen. Ebenso dass es damals wenig zum Essen gab, Butter rar war und man auf dem Schwarzmarkt herumschleichen musste, so kann man heute alles kaufen. Ein Smartphone auf Raten, Butter, die zwar teuer ist, aber es gibt etliche Firmen, die diese anbieten und, und, und. Wir müssen nicht hungern, haben ein Dach über dem Kopf und nahezu an jeder Ecke gibt es Lebensmittel.

Warum ich so weit aushole? Weil das Buch mich sehr zum Nachdenken angeregt hat und einen ganz automatisch dankbarer werden lässt. Gerade bei Leni und ihrer Mutter Irma, die nicht viel hatten und das Beste aus ihrem Leben rausholten. Auch wenn sich Lenis Leben durch John geändert hatte, so hatte ihre Mutter zu kämpfen und dieser Teil wurde immer wieder aufgezeigt. Das war interessant und traurig zugleich. Ich habe stellenweise echt mitgelitten. Vieles konnte ich nachempfinden, da auch ich Mutter bin. Wie schnell der Abgrund manchmal kommen kann und wie dunkel er sein kann. Traurig, packend und nachvollziehbar. Irma war neben John und Leni eine tolle greifbare Protagonistin die mit ihrer Art heraussticht und im Kopf bleibt.

Allein dass die jüdischen Wurzeln auf beiden Seiten miteinander verwoben waren, machte es nur noch schwerer – für alle. Und auch die Geschichte zum Ende hin zu einer doch schwereren Kost. Das, was geschehen ist, wollen wir alle nicht mehr erleben. Was unsere Vorfahren erlebt haben, damit wir heute so leben können, wie wir leben – dafür müssen wir einfach dankbar sein.

Die Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen. Mich mitgerissen, traurig gemacht, zum Lächeln gebracht – einfach alles. Man muss sie einfach gelesen haben. Ohne Wenn und Aber.