Rezension

Blutiger Thriller, sehr spannend.

Die Blutlinie - Cody Mcfadyen

Die Blutlinie
von Cody Mcfadyen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Meiner Meinung nach ist "Die Blutlinie" von Cody McFadyen ein brillianter Thriller - aber auch ein polarisierender. Die Details der Morde sind ziemlich blutig und grausam - sicherlich für viele Leser abschreckend. Aber es hat mich als passionierte Thriller-Leserin gefesselt und ich habe das Buch an einen Tag verschlungen. Hatte ich es mal aus der Hand gelegt, hat es keine fünf Minuten gedauert, bis ich es wieder aufnehmen und weiterlesen musste.

Kurz zur Handlung: Smoky Barrett was die Leiterin eines vierköpfigen Teams einer FBI-Speziealeinheit zur Bekämpfung von Kinderentführungen und Serienmördern in Los Angelos. Ein halbes Jahr zuvor überfiel einer dieser von ihr gejagten Serienmörder sie zu Hause, folterte, vergewaltigte und entstellte sie mit Narben und tötete ihren Mann und ihre Tochter. Seitdem kämpft sie mit psychischen Probleme und schwankt zwischen Selbstmordgedanken und dem Wunsch ihren Job wieder aufzunehmen, bis ihre beste Freundin aus Highschoolzeiten von einem Serienmörder getötet wird und dieser fordert, von Barrett persönlich gejagt zu werden. Außerdem hinterlässt ihre Freundin ihr die Fürsorge für ihre Tochter Bonnie, die durch den Mord an ihrer Mutter völlig verstört ist. Der Serienmörder bezeichnet sich selbst als Nachfahre von Jack the Ripper und hat es neben der Ermordung von Frauen mit pornographischen Internetauftritten auch auf persönliche Angriffe auf die Mitglieder des Ermittlerteams abgesehen....

Insgesamt begegnet dem Leser "Die Blutlinie" als Thriller mit linearer Ermittlung. Auf die gängige Krimi-Manier schnell innerhalb einer begrenzten Tätergruppe von einen Verdächtigen auf den nächsten zu springen und dabei immer neue erwartet-unerwartete Wendungen aus dem Hut zu zaubern verzichtet McFadyen - zum Glück. Stattdessen verläuft die Ermittlung strukturiert analysierend. Man merkt, wie sich das Puzzle Stück für Stück aufbaut und sich das Team der Täter nähert. Der Spannungsaufbau auf den Leser ist dabei enorm - unterstützt durch die inneren Monologe der Ich-Erzählerin Smoky, die sowohl durch ihre eigene Zerrissenheit als auch durch ihre Versuche sich in den Täter hineinzuversetzen eine große Emotionalität erzeugen und fesseln.

Auch die Brutalität und die Grausamkeit, mit der der Autor die Morde beschreibt, sowie die teilweise harte Sprache, haben für mich die Spannung des Buches erhöht - während ich aber auch gut verstehen kann, dass dieser Stil andere Leser eher abschreckt. Für mich dagegen ist eben dieser Stil eine Möglichkeit den Leser mithineinzuziehen in die Handlung. Beim Lesen hatte ich Herzklopfen und manchmal Tränen in den Augen. Für mich ein Muss bei einem guten Thriller, ebenso wie ein flüssiger Schreibstil, den McFadyen in jeden Fall hat.

Einige Kritikpunkte möchte ich aber trotzdem noch anführen:
1. "Mr. and Mrs. Perfect": Die FBI-Agenten sind alle überperfekt und haben die spannensten Lebensgeschichten. Smoky wurde enstellt, ja, aber davor war sie hübsch, ihr Mann war atemberaubend schön, ihre Kollegin Callie ist der Inbegriff von Schönheit, ihr Mitarbeiter Alan ist ein Schrank von einem Mann und mit einer wunder-wunder-wunderschönen Latina verheiratet, das vierte Teammitglied James, der einzige den nicht alle "lieben", ist ein hochintelligentes Genie, Smokys FBI-Psycotherapeut sieht super toll aus, ihre ermordete Freundin Annie war super schöne Cheerleaderin und selbst der Computerfreak (!) Leo, der das Team ergänzt, ist "gut aussehend". Erst wenn man sich in die Gefilden der niederen Polizisten begibt, tauchen Menschen auf, die nicht "wow" sind. Vielleicht kann man diesen Kritikpunkt am besten mit "typisch amerikanisch" beschreiben.

2. Am Ende wird ein Zusammenhang geschaffen, zwischen dem einige Monate zurückliegenden Überfall auf Barretts Familie und den aktuellen Serienmorden. Der "neue" Täter will dem damaligen die Schlüssel für ihr Haus gegeben haben. Das war für meinen Geschmack zu viel des Guten. Denn erstens: Woher kam der Schlüssel? und zweitens: Woher kannten sich die beiden? Aus dem "internationalen Gangstertelefonbuch"? Wohl kaum...

3. Es gibt zwei immer wieder auftauchende Motive in Smokys innerem Monolog, die ich als anstrengend empfunden habe: Den "dunklen Zug" (tschutschu-tufftuff) und den "Drachen". Anstonsten fand ich die Ich-Perspektive und die bildliche Gedankenwelt von Smoky Barrett echt gelungen geschrieben, aber die beiden waren ein bisschen zu viel des Guten.

Ich schwanke also zwischen einer 5- und einer 4-Sterne-Wertung. Mein abschließendes Urteil sind dann aber doch 4.5 Sterne, weil ich das Buch nicht weglegen konnte, ich es spannend, super geschrieben und mitreißend fand und ich es kaum erwarten kann, die anderen Teile der Smoky-Barrett-Reihe zu lesen.
Ich kann das Buch also nur empfehlen.

Kommentare

madorin kommentierte am 16. September 2013 um 13:24

Diese Rezension ist super und beschreibt genau meine Meinung zu dem Buch, auch wenn ich ihm nur 3,5 Sterne gegeben habe, weil mich diese Kritikpunkte anscheinend mehr gestört haben als dich.

Am meisten gesört hat mich Smoky selbst, denn sie hat die klischee hafteste Leidensgeschichte, die man sich nur denken kann. Und natürlich hat sie ganz viele Traumata. Und natürlich hat sie diese auch schon alle irgendwie überwunden

Und dieser Zug hat mich richtig genervt.

Die expliziten Gewaltdarstellungen fand ich mal ganz interessant, denn sowas liest man nicht in jedem Thriller, aber das konnte bei mir dne Zug leider auch nicht rausreißen.

Leider sind mit diese ganzen Kritipunkte im nächsten Buch noch viel mehr aufgestoßen, weil sich das einfach alles wiederholt hat. Es sind immer die gleichen Probleme, immer die gleichen Sorgen, immer die gleichen Sätze.

Schade, denn die Handlung an sich war bei beiden Büchern gut und hat Potential.

 

Wenn dich diese Kritipunkte aber nicht all zu sehr abschrecken, dann würde ich dir durchaus empfehlen auch den Todeskünstler zu lesen.

madorin kommentierte am 16. September 2013 um 13:26

Hab gerade gesehen, dass du den Todeskünstler schon gelesen hast. Dann werde ich mir doch auch mal die Rezi dazu ansehen. Und vor allem zu "Das Böse in uns" denn das habe ich nicht mehr in die Hand genommen, weil mich diese negativen Aspekte dann doch zu sehr gestört haben.

Sarah_O kommentierte am 16. September 2013 um 16:25

Ich habe mit "Das Böse in uns" angefangen und erst dann die ersten beiden Bände gelesen. Deswegen war es vielleicht einfacher, weil man die Figuren schon von einer etwas anderen Seite kennt. Im ersten Band fand ich sie alle auch sehr gestriegelt und "perfekt". Aber insgesamt gefallen mir die Smoky-Barrett-Bücher sehr, für mich gerade bei den amerikanischen Thrillern ganz weit vorne.