Rezension

Brutal ***

Sekunden der Gnade -

Sekunden der Gnade
von Dennis Lehane

Bewertet mit 3 Sternen

Im Jahre 1974 soll die Rassentrennung in Bostoner Schulen endlich der Vergangenheit angehören. Busse werden schwarze Kinder in weiße Schulen bringen und umgekehrt. Aber die Southie High ist genauso ein Elend wie die Roxbury High, auch bei der weißen Bevölkerung herrschen Gewalt, Drogensucht und Selbstjustiz, der Hass gegen Schwarze ist allgegenwärtig. Als Mary Pats siebzehnjährige Tochter nicht nach Hause kommt, begibt Mary Pat sich auf die Suche und taucht immer mehr ein in einen Ring von Widersprüchen, bis sie zur schrecklichsten Erkenntnis kommt, die es für eine Mutter überhaupt geben kann: Jules wird nie wieder heimkehren.

Neugierig geworden durch die Leseprobe hat mich dann aber doch das Ausmaß an Gewalt und Brutalität überrascht, mit welchem man als Leser konfrontiert wird. Dennis Lehane erzählt eindringlich und ungeschönt, die Atmosphäre im Bostoner Stadtviertel ist mehr als greifbar. Auch Mary Pats Verzweiflung, dass ihr nun nach ihrem Sohn noch die Tochter genommen worden ist, ihre Entschlossenheit, gegen die Übeltäter vorzugehen, ist sehr gut dargestellt. Angepasst an das beschriebene Milieu herrscht eine grobe Sprache vor, alles ist rund und stimmig. Dennoch ist es an manchen Stellen schwierig, weiterzulesen, die bildhafte Vermittlung von rassistischen Szenen, die ja an tatsächliche Vorgänge in Boston erinnern, sind nicht leicht zu verdauen.

Wie Schmerz zu Rache führt, wie Leid Kräfte freisetzen kann, genau das zeigt Dennis Lehane in diesem aufrüttelnden Buch. Nicht ganz mein Geschmack, aber dennoch sehr realistisch und überzeugend.