Rezension

Hoch explosiv

Sekunden der Gnade -

Sekunden der Gnade
von Dennis Lehane

Bewertet mit 4 Sternen

Dennis Lehane hat einen Roman voller Hass und Gewalt geschrieben. Der ewig schwelende Konflikt zwischen Schwarz und Weiß ist Thema, er geht zurück ins Jahr 1974, nach Boston. Die Verantwortlichen der Stadt wollen, dass die Rassentrennung zumindest in den Schulen aufgehoben wird. Bis dato gehen sie nach Hautfarbe getrennt in ihre jeweiligen Schulen, das soll sich nun ändern. Aber sie begehren auf, die Diskrepanz zwischen Schwarz und Weiß wird deutlich spürbar.

Als dann Jules, Mary Pat Fennessys 17jährige Tochter, nicht heimkommt, macht sich Mary Pat auf die Suche nach ihr. Bald kommt ein Vorfall ans Licht, bei dem ein schwarzer Junge solange von vier weißen Jugendlichen gehetzt wird, bis er in die Gleise fällt und dabei ums Leben kommt und Jules soll eine dieser vier Teenager gewesen sein. Mary Pat macht sich auf die Suche nach ihrer Tochter, sie ist auf sich alleine gestellt, auf Hilfe kann sie nicht hoffen.

Es ist ein gewaltiges Buch, eine gewalttätige Geschichte. Mary Pat hat schon ihren Sohn an die Drogen verloren. Kann sie es verkraften, wiederum ein Kind zu verlieren? Schon von Kindheit an musste sie sich verteidigen, sie hat gelernt, ihre Fäuste einzusetzen. Vordergründig geht es um die Schulkinder, die in gemischten Klassen unterrichtet werden sollen. Eigentlich geht es um Mary Pats Wut. Und diese verleiht ihr die Kraft, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu kämpfen, Jules zu suchen. Nicht zuletzt macht die Liebe zu ihrer Tochter sie stark und auch unerbittlich. Sie lässt nicht locker, will wissen, wie es sich zugetragen hat, wie der schwarze Junge zu Tode kam. Und sie findet es heraus. Ihr Verlust macht sie noch mutiger, als sie sowieso schon immer war. Ihren Schmerz und ihre unbändige Wut prügelt sie regelrecht aus ihnen allen heraus, bis sie reden, bis zur bitteren Wahrheit.

Es ist wahrlich nichts für Zartbesaitete, auch wenn zwischendurch sowas wie Verständnis, ja Menschlichkeit hervorblitzt. Aber auch nicht mehr.  Mir wurde dieses Gewaltbereitete teilweise zu viel, die Hauptfigur lässt keine Gnade walten. Nicht mal „Small Mercies“ wie der Originaltitel heißt. Und doch ist es ein Buch, in dem so viel Wahrheit steckt. Erschreckend realistisch, denn bis heute hat sich nicht viel geändert.