Rezension

Brutale Realität und alles andere als typische Helden

Der Gottbettler - Michael M. Thurner

Der Gottbettler
von Michael Marcus Thurner

Doch sie hatten ihre Fröhlichkeit verloren, und mit ihnen hatte dieser Teil der Norde viel von seinem ursprünglichen Charakter verloren. Dies war, was die freien Länder mehr fürchteten als alles andere: das Grau, das alle Lebendigkeit vernichtete. S. 216

Inhalt

Die Schlacht ist in vollem Gang. Seit zwei Jahrzehnten ziehen die Heerscharen des Gottbettlers unter dem Kommando des Heerführers Metcairn Nife durch die Lande, zerstören, schlachten und unterwerfen.

„Diese Horde von Sadisten, Mördern und Vergewaltigern, der schlimmste Haufen von Verrückten, den die Götter jemals durch die sogenannten zivilisierten Ländern hatten wandeln lassen.“ S. 135

Doch nach einer alten Prophezeiung gibt es nur eine Möglichkeit, die Machtübernahme des Gottbettlers aufzuhalten. Pirmen Courtix ist ein junger Magicus und er ist auf der Suche. Auf der Suche nach dem Einen, der den Gottbettler aufhalten und diesem Wahnsinn ein Ende bereiten kann.

„Ein wacher Geist wie der seine fiel in der Norde auf wie ein Glimmholz in der ewigen Dunkelheit. Er tat gut daran, nicht allzu hell zu leuchten. Andernfalls würde man ihn zum Erlöschen bringen.“ S. 56

Auch Terca, das alte, kräuterkundige Weib aus der Stadt Poitrea wird in die Machenschaften verwickelt. Sie wartet seit Jahren auf den Moment, von der Magie getragen von den Klippen in den Tod zu stürzen und die Absolution zu erhalten, doch das Schicksal hat anderes für sie vorgesehen.

Der dritte im Bunde vervollständigt die Rivalen des Gottbettlers und dieser versucht alles in seiner Macht stehende, um sie aufzuhalten.

„Stell dir die Kraft der Sonne während der Mittagsstunden vor und addiere die Mächte des Hasses sowie der Liebe. Zu guter Letzt füge eine Portion Wahnsinn hinzu. Das Ergebnis ist das, was wir von unseren Feinden zu erwarten haben.“ S. 410

Meine Meinung

Man taucht gleich zu Beginn in diese phantastische Welt ein, eine Welt voller Verrat und Intrigen, in der nichts so ist, wie es scheint. Der Schreibstil ist ungewöhnlich, anspruchsvoll und mit teilweise derber Ausdrucksweise mit einer rauen, direkten Offenheit. Es zeigt eine brutale, düstere Realität, die nur für erwachsene Leser geeignet ist. Es hat ein bisschen gedauert, sich einzulesen, aber dann hat mich der detaillierte Stil in den Bann gezogen. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht der Hauptcharaktere. Es finden sich viele neue Ideen und neue Rassen mit passenden Namen: die Parveniden, die Nachtkrappen, die Schwimmkröten oder die Hoboken.

Die Magie steht in dieser Welt nicht im Vordergrund, sie ist zwar immer präsent, wirkt aber eher latent; ein erwähnenswertes Detail ist hierbei, dass jegliche Art von Zauberei einen hohen Preis fordert, der schwere körperliche Gebrechen nach sich zieht.

Der Autor entführt in eine harte, grausame Welt nicht nur auf dem Schlachtfeld. Auch in den Dörfern oder in den Städten gilt das Prinzip, das der Stärkere überlebt. Dieses scheint der Gottbettler wie eine schwärende Wunde ausbrennen zu wollen, um daraus ein neues, gerechteres Leben entstehen zu lassen.  Die Frage, welche Seite im Recht ist, welche Vernunft wirklich siegt, steht konstant zwischen den Zeilen - soll man die Ungerechtigkeiten einfach übersehen und der Welt seinen Lauf lassen oder ist man berechtigt mit Feuer und Schwert alles auszumerzen, um einem neuen Leben eine Chance zu geben. Und welche Beweggründe dafür sind zweifelsfrei und glaubhaft? Kann aus Bösem tatsächlich Gutes entstehen?

Hauptsächlicher Gegenstand der Handlung sind definitiv die Charaktere. Sie sind sehr speziell, keine typischen Helden oder Bösewichte und durch diese komplexen Persönlichkeiten war mir keiner wirklich sympathisch.   Auch der Auserwählte ist nicht das, was man erwartet.

„Der Säufer, der Süchtige, der unbeherrschte Schläger – das waren bloß Facetten einer rätselhaften Persönlichkeit. Besonders seltsam mutete jene Melancholie an, die (…) von Zeit zu Zeit befiel und die ihn dann stundenlang schweigen ließ.“ S. 215

Der Gottbettler selbst bleibt lange im Dunkeln, man erhält nur sehr wenig Einblicke in seine Absichten und Pläne. Er ist derjenige, der nur im Hintergrund die Fäden zieht.

„Er war dank seines Intellekts und seiner Geistesfähigkeiten mächtiger als die Götter und aufgrund seiner Unfähigkeit, das Leben der niederen Wesen zu verstehen, schwächer als deren geringster.“ S. 460

Die Handlung hat mich in den Bann gezogen, die vielen Verwicklungen, in die sich die Charaktere verstrickten, waren sehr interessant zu verfolgen. Gegen Ende hat es sich etwas gezogen, der Schluss wiederum hat mich überrascht. Einige Abläufe konnte ich nicht nachvollziehen, was aber vielleicht daran lag, dass ich nicht alles erfassen konnte. Schade fand ich allerdings, dass im Klappentext etwas verraten wird, das die Spannung im ersten Drittel etwas erhöht hätte.

Fazit

Ein packendes, neuartiges Abenteuer in einer faszinierenden Fantasywelt, die entgegen dem Mainstream einen rohen, sehr speziellen Stil entwickelt, der vielleicht nicht jedem gefallen wird. Ich habe mich gerne darauf eingelassen und finde vor allem auch die Frage, die hinter der ganzen Handlung steckt, außergewöhnlich.

© Aleshanee