Rezension

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Das Meer als Knotenlöser

Die Stille zwischen Himmel und Meer - Kati Seck

Die Stille zwischen Himmel und Meer
von Kati Seck

Bewertet mit 4 Sternen

"Wir sollten unsere Jahre hier verschwenden, wir sollten all unser Geld ins Meer werfen und im Sand schlafen und uns die Sterne wie Schmuck um den Hals hängen." - <3

Edda hat eine traumatische Kindheit hinter sich.
*Vorsicht Spoiler*
Sie wurde als Kind entführt und jahrelang von einer fremden Frau in einem Keller gefangengehalten. Als diese Frau sich selbst richtet, merkt Edda zum Glück noch, kurz bevor sie selbst verhungert und verdurstet, dass ihr der Weg nach draußen offen steht.
*Ende Spoiler*
Doch der Weg in ein neues Leben ist gar nicht so einfach. Edda hat Angst. Vor allem vor dem weiten  Himmel und vor geschlossenen Räumen. Nach Jahren der Therapie geht es für sie scheinbar nicht mehr weiter. Sie fühlt sich bedrängt und und unter Druck gesetzt. Auch von ihrer Mutter und ihrem guten Freund, der gerne mehr wäre. Sie weiß, dass nur sie selbst sich jetzt noch helfen kann und verordnet sich einen Meeresurlaub. Nur die freie Natur und sie.
Doch als Edda in ihrem Urlaubsort ankommt, ist sie doch nicht so allein wie gedacht: Da ist Mia, die Enkelin ihrer Vermieterin, zu der Edda schnell Vertrauen schließt und deren unglückliche Familiensituation sie bewegt und Sebastian, ihr Mitbewohner wider Willen, weil das Haus doppelt vermietet wurde. Sebastian hat selbst mit Dämonen aus seiner Vergangenheit zu kämpfen und er und Edda sind sich ungewollt gleichzeitig Stütze wie auch Herausforderung in den kommenden Tagen.
Nach und nach wird sich Edda über ihre Situation klar und geht mit Sebastians Hilfe mutige Schritte in Richtung eines befreiteren Lebens. Wird sie dieses Leben mit dem neuen Mann an ihrer Seite genießen können?

'Die Stille zwischen Himmel und Meer' ist ein emotionaler Roman, der dank der 'Selbstanalyse' von Edda jedem eine Inspiration sein kann, der sich selbst schon einmal verloren gefühlt hat und meinte, keine Perspektive mehr zu sehen. Wie Edda nach und nach stärker wird und erkennt, wofür es sich lohnt zu kämpfen, nein, wofür es selbstverständlich ist, zu kämpfen, wird einfühlsam und peu a peu beschrieben. Inwieweit das Verhalten Eddas angesichts ihres Traumas allerding realistisch ist, kann ich nicht beruteilen. Manchmal kam sie mir doch sehr undistanziert und schnell vor in ihrem Umgang mit anderen Menschen, aber das mag entweder durchaus verständlich oder künstlerische Freiheit sein. 

Der Roman wechselt zwischen Szenen in der Gegenwart - Eddas Urlaub am Meer - und verschiedenen Szenen aus der Vergangenheit, die chronologisch nicht geordnet sind. Nach und nach wird so Eddas traumatische Kindheit aufgearbeitet und der Leser versteht, was ihr widerfahren ist und auch, wie sie in den Jahren vor dem Urlaub damit umgegangen ist und an sich gearbeitet hat. Trotz der zeitlichen Wechsel wirkt das Buch sehr strukturiert und es kommt zu keiner Zeit Verwirrung auf.

Die Sprache der Autorin ist wunderschön. Teils waren mir die 'schönen' Zitate allerdings auch zu konstruiert, so dass ich gar nicht mehr sicher war, was die Autorin mit der schönen Metapher nun ausdrücken wollte. Eine wichtige Rolle, auch in der Sprache, spiele das Meer, der Strand und allgemein die Naturgewalten. Die Autorin vermochte es sehr gut, deren Einfluss auf Edda zu beschreiben und ihn sich nach und nach wandeln zu lassen, ohne dass Edda den Respekt vor ihnen verliert. Eine Hommage an die See. Und gleichsam eine Liebeserklärung an alle die Menschen, die uns in schwierigen Situationen zur Seite stehen, uns lieben wie wir sind und uns herausfordern, über uns selbst hinauszuwachsen - auch wenn wir sie noch so kurz kennen und sie uns vielleicht auch nicht am nächsten stehen. Für den Moment sind sie die wichtigsten Menschen in unserem Leben.

"Wie konnte man einem Menschen nicht verfallen, der Liebe mit Büchern verglich?" - Wie sollte man eine Autorin kritisieren, die diese Analogie herstellt? ;)