Rezension

Der Alptraum der Protagonistin wird zum Eigenen

Du bist mein Tod - Claire Kendal

Du bist mein Tod
von Claire Kendal

Bewertet mit 5 Sternen

"Du bist mein Tod" handelt von Clarissa, die sich nach der Trennung von ihrem Freund für eine Nacht auf einen anderen Mann einlässt. An diese Nacht hat sie am nächsten Tag keine Erinnerung mehr, doch die Folgen daraus bleiben von nun an ständig präsent: Rafe ist besessen von Clarissa, er überhäuft sie mit Komplimenten und Geschenken und drängt sich ihr regelrecht auf. Sie versucht bei Freunden und Polizei Interstützung zu erfahren, doch alle sehen nur das äußere Bild eines aufmerksamen Liebhabers. Doch Clarissa weiß um die Gefahr und so beginnt sie akribisch gegen ihren Stalker zu planen. Nichtsahnend, dass dieser mehr und mehr die Kontrolle verliert.

Manchmal ist man ja regelrecht verwundert, was für Bücher zum Teil mit dem Genre "Thriller" versehen werden. Umso glücklicher war ich daher, dass mit "Du bist mein Tod" mal wirklich wieder ein Buch in die Regale geschafft hat, das sich diesen Titel "Thriller" absolut verdient hat. Man hat hier keinen Ermittler, der in die Abwege der menschlichen Psyche untertaucht. Man hat keinen direkten Einblick in die Grausamkeiten, die sich ein blutrünstiger Killer ausdenkt. Man hat einfach nur Clarissa, ein Stalking-Opfer, dessen Todesangst so mitreißend und wohl durchdacht dargestellt ist, dass man als Leser selbst in einem Alptraum gefangen ist.
All das funktioniert für mich überraschenderweise mit einer Protagonistin, die man über die 300 Seiten nicht komplett kennenlernt. Es geht nicht um ihre Kindheit, es geht nicht um die Beruge ihrer Eltern oder ob sie Geschwister hat. Es geht nur um die Clarissa, deren Leben sich ab dem November eines bestimmten Jahres in einen Alptraum verwandelt. Und in genau dieser Phase lernt man eine Frau in einer Ausnahmesituation kennen und man kann sich so stark mit ihr identifizieren, dass einem ihr persönlicher Hintergrund vollkommen egal ist. Es zählt nur das Hier und Jetzt und das ist so aufreibend, dass es Protagonistin und Leser gleichermaßen an die Nerven geht.

Stalking ist sicher kein neues Thema in der Literatur. Dadurch, dass die Digitalisierung diesem Verbrechen aber immer mehr Raum gibt, verstärkt sich die Häufigkeit solcher Bücher. "Du bist mein Tod" ist ein Teil davon und neben der die Geschichte tragenden Protagonistin ist auch der Erzählstil sehr entscheidend. Während ich nach Leseprobe noch etwas verwirrt war, zahlen sich die unterschiedlichen Perspektiven mit dem personalen Erzählstil und den Tagebücheinträgen, die an eine zweite Person Singular gerichtet sind, vollkommen aus. Einerseits kommt Abwechslung in das Geschehen, andererseits unterstützt dieser Stil natürlich auch Clarissas Verarbeitugsprozess des Geschehens. Der personale Erzählstil begleitet Clarissa in ihrem Alltag, das Tagebuch fasst all die Begegnungen mit ihrem Stalker, in dem sie Rafe stetig mit "Du" anredet. Natürlich sind die Tagebucheinträge spannender, gleichzeitig aber bedrückender, da man aus ihrer Sicht direkt Zeuge seiner Perversionen, seiner Aufdringlichkeit und seiner krankhaften Psyche wird. Man beginnt Clarissa in ihrem Kampf gegen den Stalker anzufeuern, man leidet mit ihr, vermeidet selbst schon den Namen des Täters, weil man ihn nicht an sich selbst heranlassen will. All dies ist so intensiv gestaltet, dass man über die personalen Abschnitte erleichtert ist. Sie nehmen den psychischen Druck etwas und trotzdem kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf.

"Du bist mein Tod" ist ein wahrer Thriller, der den Leser so schnell nicht loslässt. Er ist so bedrückend, dass man als Leser nur hoffen kann, dass man nicht tatsächlich mal selbst Opfer eines solchen Täters wird. Fünf Sterne für diese nervenaufreibende Story!

Kommentare

rah0711 kommentierte am 23. März 2015 um 15:06

So in etwa ging es mir auch...Aber es ging irgendwie doch fast in einem Rutsch durch, auch wenn ich vor "wie krank ist Rafe eigentlich" manchmal am liebsten kurz das Buch weg gelegt hätte und kurz irgendwo ein Loch in die Wand geschlagen hätte...