Rezension

Die dunklen Seiten Wiens anno 1906

Bilder des Bösen - Britta Hasler

Bilder des Bösen
von Britta Hasler

Bewertet mit 5 Sternen

„...Aber wir wissen doch nur zu gut, dass die Presse ihre ganz eigene Wahrheit verbreitet...“

 

Wien im Jahre 1906: Ein Mann schlägt seinen Sohn. Die Mutter steht ohnmächtig daneben.

Clara, ein Kind, lebt nach dem Tod der Eltern bei zwei Tanten. Um den ärmlichen Verhältnissen zu entfliehen, versucht sie, eine Stelle als Modell bei einem Maler zu finden.

Elfriede Sutter bekommt ein Foto zugeschickt. Darauf ist ihr Mann mit einer Minderjährigen zu sehen. Elfriede soll Geld zahlen. Deshalb wendet sie sich um Hilfe an die Detektei von Rudolph Lischka und Julius Pawalet.

In der gleichen Detektei spricht Leutnant Tscherba vor. Er bittet um Hilfe in einem grausamen Fall von Prostituiertenmorden.

Aus diesen unterschiedlichen Anfängen des Buches hat die Autor eine fesselnde Handlung gestrickt. Es ist der zweite Fall für die Detektei.

Rudolph Lischka hat sich nach dem Tod seiner Frau im Kindbett konsequent vom weiblichen Geschlecht zurückgezogen. Julius Pawalet dagegen sucht ab und an bestimmte Prostituierte auf. Er ahnt nicht, dass ihn das sehr schnell zum Verdächtigen machen würde.

Der Schriftstil des Buches ist, wie schon im ersten Band, sehr ausgefeilt. Die Personen werden gut charakterisiert. Neben den Ermittlungen nehmen einen Teil der Handlung erotische Szenen und Phantasien ein. Während die Geschehnisse bei der Domina sehr detailliert geschildert werden, hält sich die Autorin mit Einzelheiten bei der Gewalt gegen Kinder wohltuend zurück. Hier genügen wenige Andeutungen, um sich das Grauen vorzustellen. Sehr gekonnt wird mit Metaphern gearbeitet. Dabei spielen Bilder und Fotos eine besondere Rolle. Eine Sitzungen bei dem bekannten Wiener Psychiater Dr. Sigmund Freud führt zur Beschreibung eines Bildes, das eine der Ermittlungen auf die richtige Spur bringt. Das liegt insbesondere daran, dass Julius sich Bilder besonders gut einprägen kann und das sie für ihn einen großen Wiedererkennungswert haben.

Als besonderes Stilmittel dient Claras Geschichte, die kursiv eingefügt wurde. Hier wird anschaulich erzählt, wie und warum das Mädchen sich immer wieder ins Schloss führen lässt. Sie sieht nur die Wahl zwischen dieser gut bezahlten „Arbeit“ und einem Leben in Armut. Die Tanten fragen nicht, woher das Geld kommt, das sie ihnen gibt.

Gut herausgearbeitet werden die Unterschiede zwischen Julius und dem Täter. Beide haben ähnliche sexuelle Gelüste und bevorzugen eine Domina. Doch ihr Verhalten gegenüber den Frauen ist völlig gegensätzlich.

Ab und an ermöglicht mir die Autorin einen Blick in die kranke Psyche des Täters.

Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören einige der Dialoge. Das wäre zum einen das Gespräch zwischen Julius und Luise. Sie hat eine hohe Menschenkenntnis. Allerdings wäre ein einziger Fehler ihr fast zum Verhängnis geworden.

Als Johanna erleben muss, dass ein falsche Frage das Verhältnis zwischen Domina und Opfer plötzlich umkehrt, fängt Luise sie auf und macht ihr klar, was zu beachten ist. Dabei hatte Johanna noch Glück, denn ihr Gegenüber gab ihr allein durch wohlformulierte Worte und sein verändertes selbstbewusstes Auftreten zu verstehen, dass und warum die Geschäftsbeziehung beendet ist.

Ein weiteres tiefgreifendes Gespräch findet zwischen Julius und Johanna statt. Wer selbst schon einmal im Krankenhaus auf eine Nachricht über den Zustand eines guten Freundes oder Verwandten gewartet hat, wird die Gedanken der beiden durchaus nachvollziehen können.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeichnet ein bizarres Bild von den dunklen Seiten Wiens.