Rezension

Ein aufregendes Abenteuer in den Tiefen des Dschungels

Die Einzige - Jessica Khoury

Die Einzige
von Jessica Khoury

*Worum geht's?*
Pia ist perfekt. Jahrzehnte lang haben die Forscher von Little Cam, einer geheimen Forschungsstation im Dschungel, an dem Mittel gearbeitet, das Pias Existenz begründet: Immortis. Fünf Generationen hat es gedauert, bis ihre Arbeit Früchte trug, bis mit Pia ein neuer Mensch auf die Welt kam - das erste Mädchen einer neuen Rasse. Denn Pia ist unsterblich. Sie kann nicht verletzt werden, sie kann weder ertrinken noch ersticken, noch dazu ist sie hochintelligent und wunderschön. Pia ist der Inbegriff der Perfektion, doch noch ist sie die Einzige ihrer Art und muss geheim gehalten werden. Ihr größter Wunsch ist es, andere zu schaffen, die genauso sind wie sie. Pia spürt, dass sie bereit dazu ist, aber noch muss sie sich den Tests der Wissenschaftler unterziehen, um ihnen ihre Stärke und ihren Willen zu beweisen. Sie hat ihr Ziel genau vor Augen - und sieht nicht, was tatsächlich um sie herum geschieht. Erst als sie ein Loch in dem Zaun entdeckt, der Little Cam umschließt, und sie das erste Mal in den Genuss der wilden Freiheit des Dschungels kommt, erkennt Pia, dass es auch ein Leben außerhalb der Forschungsstation gibt. Sie begegnet dem jungen Eingeborenen Eio, der ihr eine neue Welt eröffnet und ihr Herz zum Rasen bringt. Pia, hin- und hergerissen zwischen ihrem Verstand und ihren Gefühlen, muss eine Entscheidung treffen: Was für ein Leben will sie führen? Ihr Entschluss steht schnell fest, doch dann muss Pia sich der grausamen Wahrheit stellen, die hinter der Geheimnis ihrer Unsterblichkeit steckt.

*Kaufgrund:*
"Die Einzige" ist mir durch das grandiose und wunderschöne Cover sofort ins Auge gesprungen. Für mich war sofort klar, dass dieses Buch gelesen werden musste, und der interessante Klappentext machte die Wartezeit bis zum Erscheinungstermin unerträglich!

*Meine Meinung:*
"Die Einzige" ist das Debüt der jungen Autorin Jessica Khoury und zugleich ein Buch, das einen mit einem mittlerweile ungewöhnlichen Umstand interessant macht. Denn bei "Die Einzige" handelt es sich um einen Einzelband, der aus dem ganzen Serienchaos ausbricht. Endlich muss man sich nicht mehr einer ganzen Reihe "verpflichten", wenn man mit dem Lesen beginnt, endlich kann man wieder eine abgeschlossene Geschichte genießen, ohne den Hintergedanken im Kopf zu haben, nach der letzten Seite monatelang auf eine Fortsetzung warten zu müssen. Dass "Die Einzige" ein Einzelband ist und man das Buch nach dem Lesen mit einem guten, abgeschlossenen Gefühl ins Regal stellen kann, ist tatsächlich ein großer Pluspunkt, den man nicht unterschätzen sollte.

"Die Einzige" beginnt eher ruhig und ereignislos, jedoch keinesfalls langweilig, denn die Geschichte weckt schnell das Interesse der Leser. Das Forschungszentrum Little Cam und sein bisher größter Erfolg, Pia, werden vorgestellt und man findet sich in einer unglaublichen Welt wieder: Den Wissenschaftlern ist es tatsächlich gelungen, unsterbliche Wesen zu schaffen. Alles klingt so aufregend, so spannend, so toll, dass man schnell den Eindruck bekommt, mit "Die Einzige" nach einem amüsanten und unterhaltsamen Roman gegriffen zu haben. Genau das ist er auch - solange Pia brav ihre Aufgaben innerhalb von Little Cam erledigt. Doch dann entdeckt sie das Loch in dem Zaun, der die Forschungsstation umschließt, und ihre eigene Neugierde besiegt ihr Pflichtbewusstsein. Sie kommt zum ersten Mal in Kontakt mit der Außenwelt, mit dem wahren, wilden, freien Dschungel - und dem gleichaltrigen Eio, der ihr Herz zum Rasen bringt und ihr eine unglaubliche fremde Welt zeigt, die alles in Frage stellt, was sie je gelernt hat.

Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker schlägt "Die Einzige" eine Richtung ein, die man dem Buch zu Beginn gar nicht zugetraut hätte. Es wird dramatisch, tragisch, grausam und brutal. Einige Szenen zwingen einen sogar dazu, kurz innezuhalten, um das schreckliche Geschehen sacken zu lassen. Khoury stellt die entscheidende Frage ihres Romans immer stärker in den Vordergrund: Wie weit würden Menschen gehen, um zu bekommen, was sie wollen? Um die Unsterblichkeit zu erlangen? Die Antwort darauf ist erschreckend und schockierend. "Die Einzige" regt seine Leser nicht nur zum Nachdenken an, es zwingt einen dazu!

Die siebzehnjährige Pia ist einem als Protagonistin augenblicklich sympathisch. Bereits nach wenigen Seiten hat sie sich in das Herz der Leser geschlichen, sodass man sich richtig darauf freut, ihr Abenteuer mit ihr gemeinsam zu erleben. Sie ist eine der wenigen Protagonistinnen, bei denen man ihre Perfektion nicht als störend empfindet, denn genau dies ist der Punkt, mit dem Pia zu kämpfen hat. Sie ist unsterblich, unverwundbar, hochintelligent und wunderschön - eben alles, was man sich nur wünschen kann. Sie ist sich dessen durchaus bewusst, betont es sogar selbst, um ihr Selbstbewusstsein zu stützen, und ist anfangs mehr als stolz darüber. Aber je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr stellt sie fest, dass die trotz allem keine Ahnung von den wichtigen Dingen im Leben hat. Sie kennt jedes Tier und jede Pflanze in- und auswendig, weiß alles, was sie als angehende Wissenschaftlerin wissen muss. Doch was ist mit Gefühlen? Zwischenmenschlichen Beziehungen? Dem Leben außerhalb des Dschungels? Als Pia dem jungen Eingeborenen Eio begegnet, wird ihr plötzlich klar, dass ihre Perfektion ihr bei all diesen Dingen nicht helfen kann und sie den Worten der anderen Forscher viel zu leichtsinnig Glauben geschenkt hat. Trotz ihrer wissenschaftlichen Ausbildung, ihres jungen Alters, ihres willensstarken Charakters hinterlässt Pia zunächst einen naiven und niedlichen Eindruck, der sie so liebenswert macht, ehe sie sich zu einer starken und kämpferischen Frau entwickelt.

Die Liebesgeschichte zwischen Pia und Eio blieb mir viel zu oberflächlich und unglaubwürdig. Natürlich ist es verständlich, dass Pia begeistert reagiert, als sie das erste Mal einen Jungen in ihrem Alter begegnet. Aber dass zwischen ihnen sofort die große Liebe entflammt, wirkt nicht nur übertrieben, sondern vor allem aufgesetzt. Dabei beschreibt Khoury die Liebesgeschichte so zart und liebevoll, dass man durchaus selbst ins Schwärmen geraten kann. Eio versucht Pias Herz mit bedeutungsvollen Geschenken und Taten zu erobern, die so süß und herzlich sind, dass sie einem als Lovestory-Fan ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Dazu kommt, dass die beiden Verliebten während der gesamten Geschichte nicht über ein zaghaftes Händchenhalten hinauskommen. Khoury hat eine niedliche Beziehung zwischen Pia und Eio erblühen lassen, die allein durch die überflüssigen und übertriebenen Liebesbekundungen leider an Glaubhaftigkeit verliert.

Die anderen Nebencharaktere lassen einen mit gemischten Gefühlen zurück. Khoury hat sehr viele verschiedene Personen in ihre Geschichte eingebaut und es ist beinahe unmöglich, innerhalb der 430 Seiten einen Zugang zu ihnen allen zu finden. Sowohl die Wissenschaftler in der Forschungsstation Little Cam als auch die Eingeborenen des Dörfchens Ai'oa wirken auf seltsame Weise stereotyp; während die Forscher sachlich und kühl sind, sind die Ai'oaner distanziert und doch lebendig. Es gibt jedoch auf beiden Seiten Figuren, die innerhalb der Geschichte eine besondere Rolle innehaben und von der Autorin näher beleuchtet werden. Diese können mit ihren Persönlichkeiten überzeugen und begeistern. Trotzdem bleiben einige Charaktere, von denen ich gerne mehr erfahren hätte, leider blass und farblos.

Die Autorin hat sich für ihren Roman einen ungewöhnlichen Handlungsort ausgesucht, der die Geschichte noch interessanter, noch aufregender, noch atmosphärischer macht. Der Dschungel, der das Forschungszentrum Little Cam umgibt, ist für ein Jugendbuch mit einer paranormalen Liebesgeschichte fraglos ein seltsames Setting, aber es passt erstaunlich gut zusammen, denn die Autorin hat den Urwald großartig mit der Geschichte verwoben. Sowohl Flora als auch Fauna spielen eine entscheidende Rolle und ziehen den Leser mit ihrem Facettenreichtum in ihren Bann. Man kann gar nicht anders, als sich in den Dschungel zu verlieben und sich trotz all seinen Gefahren in ihn hineinzuwünschen.

Der Dschungel als Handlungsort ist an sich schon ein kleines Highlight des Romans, doch er bringt noch etwas Außergewöhnliches mit sich: Alai. Pia ist eine besondere Protagonistin und besondere Protagonistinnen benötigen extraordinäre Haustiere! In Pias Fall handelt es sich um Alai, einen Jaguar, den König des Dschungels. Die Raubkatze gehorcht Pia aufs Wort, wie ein Schoßhund weicht er nicht von ihrer Seite und außerdem würde er ihr niemals ein Haar krümmen (nicht, dass es der unverwundbaren Pia etwas ausmachen würde). Alai war für mich definitiv ein Höhepunkt in der Geschichte und ich habe jede Szene mit ihm genossen. Leider gerät er in der zweiten Hälfte des Romans etwas in den Hintergrund.

Der Schreibstil der Autorin ist für ein Jugendbuch mehr als passend und sorgt dafür, dass man geradewegs durch die Seiten des Romans fliegt. Mit ihrer leichten, zarten Sprache, die einen aufregenden Unterton enthält, sobald er spannend wird, kann Khoury ihre Leser mit Leichtigkeit in einen Lesefluss zerren, der zum Weiterlesen animiert. Man kann sich die Charaktere und das Setting sehr gut vorstellen, aber für ein lebendiges Kopfkino reicht es noch nicht ganz aus. Ich hätte mir gewünscht, den Dschungel um mich herum zu spüren, während ich "Die Einzige" lese, aber dies ist Jessica Khoury nur ansatzweise gelungen. Nichtsdestotrotz ist dies nur als kleiner Kritikpunkt zu verstehen; schließlich handelt es sich hierbei um das Debüt der jungen Autorin und ihr Schreibstil hat auf jeden Fall Potenzial!

*Cover:*
Das Cover ist der absolute Wahnsinn! Man hat hier das Originalcover übernommen und bloß die Silhouette etwas abgeändert, sie etwas geschmeidiger gestaltet. Ich bin restlos begeistert und könnte es den ganzen Tag anstarren! Es fängt die Atmosphäre des Romans perfekt ein. Dazu kommt, dass sogar ein klarer Bezug zur Geschichte besteht. Das Mädchen auf dem Cover hält eine Passionsblume in ihrer Hand, das Symbol der Liebe zwischen Pia und Eio. Toll!

*Fazit:*
"Die Einzige", das Debüt der jungen Autorin Jessica Khoury, bietet eine spannende und interessante Geschichte mit kleinen Schwächen. Der Einzelband verbindet aufregende Sci-Fi-Elemente mit der packenden Atmosphäre eines Thrillers und setzt die Geschichte um die unsterbliche Pia in ein außergewöhnliches Setting: den Dschungel. Die Handlung beginnt sehr amüsant, entwickelt sich dann jedoch immer mehr in eine dramatische und tragische Richtung, die man der Geschichte zu Beginn gar nicht zugetraut hätte. Bloß die oberflächliche Liebesgeschichte zwischen Protagonistin Pia und dem Eingeborenen Eio und die blassen Nebencharaktere können in den Lesern nicht die gleiche Begeisterung hervorrufen, wie es die großartige Handlung schafft. Für "Die Einzige" von Jessica Khoury gibt es 4 Sterne.