Rezension

Ein nervenaufreibender Krimi aus dem hohen Norden.

Der einsame Bote
von Gard Sveen

Bewertet mit 5 Sternen

Düster aber gut, Krimiliteratur auf höchstem Niveau; mit starken Charakterstudien und einer packenden Geschichte. Nordisch, cool, mitreißend. April 2005. Oslo ist ein kalter Ort. Der norwegische Kommissar Tommy Bergmann, ein Ermittler mit besonderer Geschichte, steht am Abgrund denn er versucht einen hoffnungslosen Fall zu lösen. Die umfangreichste Mordermittlung der letzten Jahre scheint jetzt ihrem Ende entgegenzugehen. Aber – tut sie das wirklich? Die Ermittlungen im Fall Amanda stehen still, und die kritischen Stimmen im Präsidium werden – nach allem, was wir erfahren haben – zum Schweigen gezwungen.  Tommy Bergmann hält verbissen an dem alten Fall fest, den seine Kollegen längst abgehakt haben. Die 13-jährige Amanda ist verschwunden und für tot erklärt. Auch ihr vermeintlicher Mörder Jon-Olav Farberg soll tot sein. Tommy Bergmann ist der Einzige im Osloer Präsidium, der noch immer fest daran glaubt, dass Amanda lebt. Auch wenn der verbrannte Leichnam, der in Oslo gefunden wurde, noch nicht als der von Farberg identifiziert werden konnte, gilt Faberge offiziell als tot und beerdigt. Bergmann läuft Gefahr, vom Dienst suspendiert zu werden, weil er den Fall nicht aufgeben will. Doch er kann nicht anders, er muss weitergraben in diesem hoffnungslosen Fall und wird dafür von seinen Kollegen isoliert. Als er fast aufgeben will, stößt er auf die Spuren einer Sekte, in Form von zwei Postkarten aus der litauischen Hauptstadt Vilnius. Auf den Rückseiten steht "Seelen in Flammen" beziehungsweise "Tanzendes Blut". Die Spuren führen Bergmann zu einer Sekte aus der Zarenzeit. Die Mitglieder glauben, dass ein Mörder erlöst werden kann, wenn er ein junges Mädchen, geboren im Sternzeichen des Widder, verstümmelt. Ihr Anführer sieht sich als weiser Hirte, der das einfache Leben liebt. Auch er glaubt, dass ein Mörder erlöst werden kann, wenn ein junges Mädchen geopfert wird. Wie Amanda. Oder wie die Tochter von Susanne Bech, Bergmanns Kollegin. Dass die Macht sich selbst schützt, ist nichts Neues. Dass dies aber auf Kosten einer Dreizehnjährigen und ihrer Familie geschieht, kann weder von der Polizeipräsidentin noch von der Staatsanwaltschaft geduldet werden. Die Osloer Polizei scheint mit dem derzeitigen Ermittlungsstand ganz zufrieden zu sein, die Frage ist nur, ob Polizei und Staatsanwaltschaft nicht im Begriff sind, sich neuerlich in einen Skandal zu verstricken. "Der einsame Bote" ist Krimiliteratur auf höchstem Niveau; mit starken Charakterstudien und einer packenden Geschichte. Viele Rätsel und überraschende Wendungen führen immer wieder auf die falsche Spur! Die umfangreichste Mordermittlung der letzten Jahre in diesem hoffnungslosen Fall sowie ein hartnäckiger Kommissar und pathologischer Misshandler. Voilá, fertig ist ein ziemlich dickes Wespennest bzw. der beste Krimi Skandinaviens. Ein hervorragend geschriebener Krimi mit guten Charakteren und ein stimmiger Plot der einen guten Einblick in alle Facetten der Tragödien der Sekte aus der Zarenzeit darstellt. Gard Sveen versteht es die Spannung von Anfang bis Ende auf einem sehr hohen Niveau zu halten.  Ein intelligent konstruierter, lesenswerter Krimi mit Tiefgang, aufregend bis zum furiosen, verblüffenden, offenen Ende. Man muss also auf den nächsten Band warten, um dann hoffentlich die endliche Lösung des Falls zu erfahren. Nicht für jedermann und keinesfalls leichte Kost. Anspruchsvoll und lesenswert!