Rezension

Ein trostloses Buch

Die Straߟe
von Cormac Mccarthy

Selten gefiel mir eine Buchverfilmung besser als das Originalwerk. Bei Cormac McCarthys Buch „Die Straße“ aus dem Jahre 2006 ist dies überraschenderweise der Fall.

Es geht um einen Mann, der zusammen mit seinem Sohn durch den verwüsteten Südosten der USA läuft, mit den beiden Zielen a) das Meer erreichen und b) überleben. Denn es geschah eine nicht näher bezeichnete Katastrophe, weshalb es Jahre nach dieser Katastrophe kaum noch Überlebende und noch weniger Nahrungsmittel gibt. Die Welt ist im wahrsten Sinne des Wortes gottverlassen. Grau, die Sonne schafft es nicht mehr durch den Dunst. Regen und Asche überall. Auf ihrer Reise begegnen die beiden trotzdem verschiedenen Menschen(-gruppen), die größtenteils eine Gefahr für Leib und Leben darstellen. Es scheint jede Menschlichkeit verloren.

Dieses Szenario beschreibt McCarthy in unglaublich bedrückenden, aber trotzdem mitunter auch poetischen Bildern. Durch zarte Andeutungen in der kargen Sprache des Vater-Sohn-Paares wird jedoch die Liebe der beiden zueinander und das Vorhandensein des „Guten“ im Menschen herausgearbeitet. Für mich die stärksten Momente dieses Buches.

Leider ist das Buch sehr bruchstückhaft geschrieben. Wir bekommen als Leser:innen nur kurze Sequenzen der Reise der beiden mit. Diese Sequenzen sind meist nur im Schnitt 20 Zeilen lang, denn wechselt die Szene erneut. Außerdem kommt es über die nur 250 Seiten zu vielen Wiederholungen. Immer wieder leiden die beiden Hunger. Immer wieder finden sie dann doch noch eine Essensreserve. Immer wieder treffen sie bedrohliche Mitmenschen. Immer wieder wird die Situation – meist recht folgenlos – aufgelöst. So gibt es nicht wirklich einen Spannungsbogen. Anders als dies in der filmischen Adaption der Fall ist. (Nach meiner Erinnerung, denn die Rezeption des Films liegt schon 10 Jahre zurück!)

Insgesamt hatte ich vielleicht vom preisgekrönten Buch dieses hochgelobten Autors zu viel erwartet. Finde ich die Lektüre des Romans durchaus empfehlenswert und wichtig, so konnte sie mich zum jetzigen Zeitpunkt in 2022 jedoch nicht mehr ganz mitreißen. Meine Vermutung ist, dass in 2006, vor unzähligen Filmen und Büchern zu (Zombie-)Apokalypsen, dieser Roman einfach noch mehr Resonanz erzeugen konnte, als dies heutzutage der Fall ist. Apropos (Zombie-)Apokalypse: Der Übersetzer des vorliegenden Buches, Nikolaus Stingl, hat auch „Zone One“ (2011) von einem meiner Lieblingsautoren Colson Whitehead übersetzt. Mit beiden holprigen Buchübersetzungen aus dieser Phase und mit diesem ähnlichen Inhalt bin ich leider nicht sonderlich zufrieden. Somit ein durchwachsenes Lektüreerlebnis.