Rezension

Wie könnte ich nicht zutiefst berührt sein?

Die Straߟe
von Cormac Mccarthy

… Von der Erhabenheit der Geschichte, der Schönheit der Sprache? Schlicht und ergreifend: Wie könnte ich nicht zutiefst bewegt sein von Cormac McCarthys „Die Straße“? Wie könnte ich nicht weinen bei diesem Ende? Und es sind keine bitteren Tränen. Es sind Tränen des Dankes für diese Offenbarung eines Buches.

Ein Vater und sein Sohn ziehen durch eine zerstörte Landschaft, eine Straße entlang. Die Zivilisation existiert nicht mehr und es machen sich Banden von Kannibalen breit. Vater und Sohn wollen „das Feuer bewahren“ und „die Guten“ bleiben in dieser Welt des Zerfalls. Der Vater weiß, dass in dieser sinnlosen, unwirtlichen und grausamen Umgebung sein Sohn der einzige Grund für ihn ist, weiterzuleben, denn „wenn er nicht das Wort Gottes ist, dann hat Gott nie gesprochen.“ Doch der Vater ist schwer krank und sein unausweichliches Ende nahe.

„Die Straße“ ist mir sehr nahe gegangen, es war wie ein Geschenk. Es ist ein mächtiges und aufwühlendes Werk, das in seiner Stille überzeugt. Das Buch bedeutet mir unheimlich viel, es zeigt, wie zwei Menschen in einer unmenschlichen Welt versuchen, Mensch zu bleiben, ihr Menschsein zu bewahren. Es wirft die Frage auf, was einen Menschen überhaupt ausmacht. Es zeigt, dass es immer Hoffnung geben kann, unabhängig davon, wie bedrückend die Gesamtlage ist. Und es beleuchtet auf eine zarte Weise den Wert zwischenmenschlicher Beziehungen, anhand der zu Tränen rührenden Beziehung zwischen einem Vater und seinem kleinen Sohn. Die Gefühle und die Wandlung des Vater gelingt Cormac McCarthy glaubhaft darzustellen und der Leser staunt mit dem Vater über die tiefe Güte des Sohnes, der doch nie anderes kennengelernt hat als Düsternis.

„Die Straße“ ist eine Endzeitvision, die ohne Zombies auskommt und in der es nicht entscheidend ist, wie es zu dem Untergang gekommen ist oder was danach kommt. Es geht um das Jetzt, um jeden Moment, den nackten Überlebenskampf, in dem kleine Dinge eine große Bedeutung erlangen. „Die Straße“ zeigt ein realistisches Ende der Welt, weshalb das Buch umso beängstigender wird.
Man sollte für „Die Straße“ allerdings in der passenden Stimmung sein. Es sollte kein Actionbuch mit vielen überraschenden Wendungen erwartet werden, sondern Eintönigkeit, Staub, Asche. Das Buch besitzt eine Handlung so geradlinig wie die Straße, die die Protagonisten bewandern, mit nur kleinen Abzweigungen. Die Atmosphäre ist trostlos, grau und düster, wie die Umgebung, in die die Handlung gesetzt ist, mit wenigen lichten Momenten der Hoffnung, die dadurch aber umso bedeutender werden.

Das Ende ist traurig, wunderschön, grandios und kann bei diesem Thema nicht hoffnungsvoller sein. Das Ende wird das ganze Buch über vorbereitet und es bahnt sich eine Entscheidung an. Wie wird sie ausfallen, wie wird sie zu bewerten sein? „Die Straße“ wartet am Ende mit einem gewaltigen Interpretationsspektrum auf.

Die Sprache McCarthys ist genial und bildgewaltig. Sie ist so ausfüllend und wuchtig, dass ich immer nur kurze Passagen lesen konnte. Die Sprache ist außergewöhnlich und verstärkt die durch das Thema hervorgerufene Grundstimmung auf grandiose Weise.

Fazit: „Die Straße“ ist ein Meisterwerk, das in seiner Trostlosigkeit und gleichzeitigen Schönheit tief beeindruckt und in Sprache und Inhalt durchweg überzeugt. Es ist eine realistische Endzeitvision mit einem überragenden Ende. Dieses Buch geht tief und ich werde es lange nicht vergessen.